ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)
Gregory fiel es schwer nichts dazu äußern zu dürfen. Ein ‚Amen’ wäre jedenfalls angemessen gewesen. Es stellte sich für Gregory höchst eigenartig dar. Einsilbige, ja fast stumme Menschen bedienen zu müssen und plötzlich benehmen sich genau dieselben Menschen, als hätte man sie mit Drogen versorgt. Der Unterschied vermittelte diesen Eindruck jedenfalls.
Samstagmorgen.
Gregory möchte seiner Herrin, anlässlich ihres Wiegenfestes, mit einer kleinen Aufmerksamkeit aufwarten und begrüßt Jan schon im Garten.
„Lasst Blumen sprechen“, meinte Jan und verschwand in der Küche. Von dort hörte man ihn singen: „Tulpen aus Am-ster-daaam...“ Gregory kam mit seinen frischen Blumen ins Haus, schloss die Türe hinter sich und begab sich dann ins Esszimmer, um die Blumen in eine Vase zu geben und dann direkt an ihren Platz zu stellen. Und Jan sang wieder: „Sag mir wo die Blumen sind, Gregory nahm sie geschwind…“ Die Akustik in der Küche lud geradezu zum Singen ein. Alles war gekachelt, wie zu Hause im Badezimmer, wo auch viele Leute zum Caruso werden. Die plötzliche Kursänderung der Laune seiner Herrschaften, täuschte Gregory nicht darüber hinweg, dass sie immerhin etwas wissen könnten und bloß so täten, als wüssten sie von nichts. Er stand der Situation völlig unvorbereitet gegenüber. „Wann begegnet man schon mal Menschen, von denen man annimmt, dass es Mörder sind?“ schoss es Gregory durch den Kopf. Jan schien sich keine Gedanken zu machen. Er hatte offensichtlich den Job fürs Leben gefunden. Er führte ein Dasein, wie es sich gehört und auf das man neidisch sein könnte. Gut bezahlte Arbeit an einem trockenen und nicht allzu stressigen Arbeitsplatz. Zuhause weilen eine liebevolle Frau und zwei hübsche Töchter. „Und ich“, dachte Gregory. „Ich drapiere Geburtstagsgrüße in eine Vase, um der ‚Stehlampe’ zu entkommen, das ist mein Leben.“ Gregory fiel im Moment auf, dass er sich einen Konkurrenzkampf mit Jan lieferte, wenn auch nur in seinen Gedanken. „Vielleicht ist es bloß ein Vergleich“, dachte er. „Obwohl ein wenig Neid mitspielt.“
Er war ganz in Gedanken versunken und hörte gar nicht, dass sich seine Herrschaft dem Esszimmer näherte und unvermittelt zur Türe hereinkam. „Einen wunderschönen guten Morgen“, strahlte Gregory. Und als er vor ihr niederkniete, um sie in gewohnt devoter Weise zu begrüßen, küsste er ihre Füße und gratulierte ihr ganz herzlich zum Geburtstag. Seinen Herren begrüßte Gregory ebenso aufmerksam, wobei Gregory an seinen Füßen lediglich roch. Schließlich jährte sich seines Herrn Geburtstag nicht. Di Lauro verstand den gewollten Unterschied umgehend.
„Also“, fragte sie ironisch, zumal anlässlich ihres Geburtstages sowohl Wohnzimmer, als auch der Poolbereich zur Partylandschaft umdekoriert wurden. „Was fangen wir mit dem Tag an?“ Di Lauro konnte sich ein breites Schmunzeln nicht verkneifen. Gregory übte sich in Disziplin und grinste mehr nach innen, als nach außen.
Nach dem Frühstück.
Es gongte an der Haustüre und Di Lauros Handbewegung ließ den Schluss zu, dass man Gregory nicht mehr benötigte und er sich zur Türe zu begeben hat, um nachzusehen, wer dort steht. Der Menge der Personen an der Türe nach zu urteilen, war die Eventagentur offensichtlich komplett angetreten. Es wären noch einige Kleinigkeiten zu erledigen, hieß es. Es klingelte am Nebeneingang. Gregory konnte sich nicht auf Jans Anwesenheit verlassen und begab sich auf den Weg dorthin. Um diese Uhrzeit sollten Heute die Leute von der Reinigungstruppe erscheinen. Genauso war es auch. Jan stand im Esszimmer und sprach mit beiden Di Lauros. Wahrscheinlich ging es um die zeitliche Reihenfolge irgendwelcher Häppchen. Bis zum offiziellen Beginn des Spektakels blieb noch Zeit. Der Countdown war für den Nachmittag geplant. Di Lauro sah Gregory durch die Luke und winkte ihn zu sich. Jans Vergatterung war scheinbar beendet, denn er kam Gregory entgegen. Di Lauro schob Gregory ein Handy hin und fragte, ob er damit umgehen könne. Gregory nickte.
„Über dieses Handy empfängt ‚Es’ vom Hotel und vom Fahrdienst den Stand der Dinge. Hier im Haus weiß man demnach immer, wer dort gerade angekommen ist und wer sich gerade auf dem Weg hierher befindet. Auf diese Weise sollen alle Zufälligkeiten eliminiert werden, wenn ‚Es’ versteht, was gemeint ist.“ Gregory nahm das Handy an sich und freute sich über den Vertrauensbeweis.
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