Es gab keinen Sex im Sozialismus - Legenden und Missverständnisse des vorigen Jahrhunderts
Erpressung auf Quälerei, lässt ein Betrug seinem vermeintlichen Opfer immer die Wahl: an ihn zu glauben oder nicht. Ohne einen freiwilligen Einsatz seitens des Betrogenen kann kein Betrug zustande kommen. Nicht umsonst speist er sich aus den besten menschlichen Eigenschaften in Vertrauen, Nächstenliebe, die Bereitschaft zu helfen oder auch die kindliche Fähigkeit, an Wunder zu glauben wie die magische Vermehrung von Reichtum, die fantastische Wirkung geheimnisvoller Kräfte – letztendlich Zauberei. Im Grunde funktioniert ein Betrug wie das menschliche Leben, ein Versprechen, das nie vollständig eingelöst wird. »Ich aber lasse mich gerne betrügen, um mich nicht vor Betrügern schützen zu müssen«, hat Nietzsche einmal
gesagt, und viele würden ihm darin zustimmen. Außerdem hat der klassische Betrug seine kriminelle Form längst verloren und ist salonfähig geworden. Ob Medien oder Politik, Medizin oder Religion, sie alle setzten auf Versprechen, die nie eingelöst werden.
Doch richtig Spaß macht nur die klassische Variante – freundlich, persönlich, charmant. Mehrere Tage lang lief ein junger Mann auf der Schönhauser Allee hin und her, sprach uns sehr schüchtern an, redete dann aber lange und leidenschaftlich: Es sei ihm furchtbar peinlich, fremde Leute mit seinen Problemen zu belästigen, aber er habe keine andere Wahl. Er sei aus Hannover nach Berlin gereist und hier von seinem besten Freund beraubt worden. Als ehrlicher Mensch würde er sofort zu Fuß nach Hannover zurückgehen, wenn wir ihm sagen würden, in welcher Richtung ungefähr Hannover liege. Er fühle sich von Berlin total überfordert und sei am Ende seiner Kräfte angelangt. Wir gaben ihm etwas Geld für die Rückfahrkarte. Zwei Tage später lief er noch immer auf der Schönhauser Allee herum und erzählte seine Geschichte. Das kam uns unehrlich und frech vor. Nicht einmal die Straßenseite hatte er gewechselt!
»Hey, wir haben dir doch schon die Rückfahrkarte spendiert!«, rief ich.
»Seien Sie bitte still, ich kann es nicht mehr hören!« Unser kleiner Betrüger fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. »Ich glaube, ich weiß, was Sie mir sagen wollen! Sie meinen, ich war schon mal hier? Und wissen Sie, was richtig verrückt ist? Sie sind nicht der Erste, der mich darauf aufmerksam macht!«
Er war auch nicht der Erste, der uns mit dieser Masche anhaute. Vor einem Jahr hatten wir bereits einem Mädchen in Sankt Petersburg eine Zugfahrkarte gekauft. Sie kostete kaum Geld und hat uns nicht groß belastet. Das Mädchen, das geweint hatte wie drei Krokodile, wollte danach unbedingt unsere Adresse, um uns so schnell wie möglich das Geld zurückzuerstatten.
»Brauchst du nicht«, winkte ich ab. Sie bestand trotzdem darauf. Tatsächlich bekamen wir ein Jahr später zu Silvester einen dicken Briefumschlag. Darin war jedoch nur eine Postkarte: »Ich denke an euch, ich liebe euch«, stand da. Das fanden wir nett, so betreut man seine Kunden.
In der gleichen Silvesternacht wurde ich gegen drei Uhr nachts von meinem besten Freund angerufen. Er saß in einem Restaurant irgendwo in Hamburg, wo er mit mehreren Gästen zusammen feierte, und klang ziemlich verwirrt. Ein freundlicher Mann, als
Kellner verkleidet, hatte ihn freundlich gefragt, ob alles geschmeckt habe und ob er schon mal abkassieren könne, weil seine Schicht zu Ende sei. Nachdem mein Freund bezahlt hatte, kam der echte Kellner und präsentierte ihm die Rechnung.
Der erste Betrug meines Lebens ist mir tief in Erinnerung geblieben. Eines Morgens stand ein Lkw vor dem einzigen Klamottenladen unseres Bezirks, der nie was anzubieten hatte und zu allem Überfluss auch noch »Jugendmode« hieß. Auf dem Lkw hingen als Muster drei italienische Jeans verschiedener Größe. Zwei Männer und eine Frau boten den Leuten die Jeans zum Kauf an, sie hätten allerdings nur dreihundert davon, eine limitierte Lieferung also. Jeder, der bezahlte, bekam eine Quittung mit einer Nummer, mit der er seine Jeans ab elf Uhr, ohne sich in eine Warteschlange einreihen zu müssen, im Laden bekommen konnte. Es kam zu Unruhen, viele regten sich auf, dass sie möglicherweise bereits zu spät dran waren. Ein Polizist tauchte auf, um die Schlange vor dem Lkw zu organisieren. Um fünf vor elf war die limitierte Auflage ausverkauft, und der Lkw verschwand. Kurz darauf öffnete der Laden und wurde sofort von den Leuten gestürmt – aber dort gab es weit und breit keine Jeans.
Das erinnert mich an einen
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