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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Bald schüttet es nur so. Die Tropfen prasseln mit hoher Geschwindigkeit nieder, was sich akustisch am deutlichsten am kupfernen Vordach über der Haustür niederschlägt. Es knöchelt regelrecht. Der Kies am Vorplatz spritzt mit den Tropfen hoch. Ab und zu hört es ein wenig auf, aber nur kurz. Es dunstet stark ein. Alles grau in grau. Die grünen Bäume, die grünen Sträucher, die grünen Fensterläden. Grün und grau. Kein knallroter Mercedes, weil Steinwald und Atamanov in andere Geschäfte verwickelt sind. Kein Telefon. Keine Johanna. Nichts.
    Vor lauter Zorn schnallt Philipp den Gürtel ein Loch enger und macht sich trotz des Regens an der Teppichstange zu schaffen, wo er den ersten Hüftumschwung zustande bringt, seit er sich um diese Kunst bemüht. Er probiert es gleich nochmals, weil er spürt, daß er gerade die nötige Faust für die Sache hat, rutscht von der regennassen Stange ab und fliegt mit Wucht zu Boden. Seine Lunge krampft sich zusammen, und während er mit aller verbliebenen Kraft das Kreuz wölbt und wartet, bis er wieder Luft bekommt, ermahnt er sich, ruhig zu bleiben und sich nicht an das Leben zu klammern. Er atmet wieder normal, oder beinahe. So liegt er eine Zeitlang im Gras, das Staubkorn im Auge unseres Herrn und Schöpfers, mit herausfordernder Hochnäsigkeit, die ihn vor dem Fluchen bewahrt. Der Regen klatscht ihm ins Gesicht (ein feiner Regen fällt auf ihn herab), und er spürt, wie an seinem Hinterkopf ein diffuser Schmerz und eine unangenehme Wärme rhythmisch an einer Beule arbeiten. Er will gar nicht hingreifen, aus Trotz, nicht aus Angst, aus reinem Trotz.
    Doch als er wenig später in der Badewanne liegt, greift er doch hin und ist höchst überrascht, daß Blut die Haare verklebt.
    – Himmelherrgott, was mir alles passiert.
    Am Abend sitzt er mit einem Verband um den Kopf vor dem Fernseher und fühlt sich einigermaßen wohl. Steinwald und Atamanov kommen nach Hause. Philipp hat die beiden schon erwartet. Er hört, daß sie den Kühlschrank auffüllen, mehrmals die Treppe ins Obergeschoß hoch- und wieder heruntersteigen. Sie haben in den ehemaligen Kinderzimmern, die die kleinsten Zimmer des Hauses sind, ihre Quartiere genommen, wie um zu demonstrieren, daß sie den Ehrgeiz haben, möglichst wenig Platz zu brauchen; oder um Philipp beim Bewohnen des Hauses nicht mehr als unbedingt nötig zu helfen. Nach einiger Zeit klopft Steinwald an Philipps Tür. Er tritt ein und erkundigt sich, ob Philipp am Essen teilnehmen wolle. Nachdem Philipp zugesagt hat, bittet Steinwald, weiterhin mit der unbefangensten Miene von der Welt, Philipp möge, solange es regnet, keine Dinge in den Container werfen. Außerdem sei das Dach des Hauses undicht.
    Philipp schaut vom Fernseher auf und fragt sich, was Steinwald noch alles einfallen wird, ehe er auf seinen (Philipps) bandagierten Kopf zu sprechen kommt. Steinwald fährt fort, Atamanov sei gerade am Dachboden gewesen, um den Cassettenrekorder zu holen, und habe dabei die bedauerliche Feststellung gemacht (Wasser dringt ein, ein König ist nichts neben einer Tatsache). Steinwald hebt entschuldigend die Arme.
    – An mehreren Stellen.
    – Schlechte Neuigkeiten für einen eingefleischten Müßiggänger wie mich.
    Steinwald kratzt sich unterm Hut. Wie meistens trägt er auch jetzt seinen kleinen braunen Filzhut, unter dem die dunklen Locken hervorquellen.
    Philipp sagt:
    – Sie haben einen hübschen Hut, Steinwald. Er erinnert mich an den Hut des Polizisten in French Connection . Sie wissen doch, Gene Hackman, die Verfolgungsjagd, in der ein Straßenkreuzer einer hochtrassig geführten Stadtbahn nachjagt.
    Steinwald preßt die Lippen aufeinander, für einen Augenblick ist das Rot fast verschwunden. Philipp glaubt, gleich kommt Steinwald auf das Thema des Kopfverbands zu sprechen. Aber nein. Als sei er überzeugt, daß Philipp lediglich Mitleid heischen wolle, und als glaube er obendrein, daß man am weitesten kommt, wenn man sich gegen Schmeicheleien taub stellt, ignoriert Steinwald Verband und Kompliment und sagt lediglich noch, geschäftsmäßig, bevor er geht, daß er und Atamanov nicht imstande seien, den Schaden am Dach zu beheben. Aber er könne, wenn Philipp es wünscht, bei Firmen, die verläßlich und nicht zu teuer sind, Angebote einholen und die Arbeit beaufsichtigen. Steinwald schaut Philipp unbefangen an, und Philipp, der nicht weiß, was er erwidern soll, brummt ein mürrisches Danke und wendet sich wieder dem Fernseher zu.
    Bis

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