Es geschah in einer Regennacht
trug es durch die Diele in den
Wohnraum. Dabei kam sie am Dielenspiegel vorbei und lächelte sich an. Sie fand
nämlich, dass sie gut aussah — auch ungekämmt und ohne Make-up.
Zu Markus hinüberzuwinken, das
konnte sie sich sparen. Er war unterwegs, wie sie wusste.
Sie deckte ihren
Frühstückstisch, legte eine Frauenzeitschrift dazu und ging noch mal ins
Schlafzimmer, um in die wärmeren Hausschuhe zu schlüpfen.
Zurück im Wohnraum sah sie
hinüber zu 13-C im benachbarten Gebäude, der Wohnung von Markus, und wollte die
Gardine beiseite ziehen, damit mehr Tageslicht hereinkam.
Amüsant, dieses nachbarliche
Nebeneinander. Noch besser wäre gewesen, Tür an Tür — jedenfalls für Fleurie,
die anlehnungsbedürftig war. Aber als sich beide entschlossen, in den Türmen
Wohneigentum zu erwerben, stand nur noch ein Apartment zum Verkauf — das von
Markus. Und eine Mietwohnung war frei, ihre. Sie hatten zugegriffen.
Vielleicht, dachte Fleurie, ist
so ein bisschen Distanz auch nicht schlecht und hält die Beziehung frisch.
Immerhin haben wir uns gegenseitig unter Kontrolle, was angebracht ist bei
einem Frauenheld wie Markus.
Nanu?! War er doch zu Hause?!
Fleurie sah hinüber. Es waren
fünfzehn Meter Entfernung. Ungebremst fiel das Tageslicht in Markus’ Apartment.
Der Raum dort drüben war hell und übersichtlich.
Fleurie hielt die Luft an. Das
war nicht Markus. Zwei Typen bewegten sich dort. Zwei. Jung sahen sie aus. Sie
taten sich um mit zielstrebiger Eile, öffneten Schränke und Schubladen, suchten
offensichtlich etwas.
Einbrecher!
Sofort die Polizei rufen!, war
ihr erster Gedanke. Aber sie stockte, noch ehe sie einen Schritt Richtung
Telefon gemacht hatte.
Niemals die Polizei, hatte
Markus ihr eingeschärft. Aus gutem Grund. Die Bullen höchstens bei einem
Verkehrsunfall hinzuziehen, hatte er verordnet, bei einem, an dem wir nicht
schuld sind. Sonst niemals! Sie könnten was entdecken, das uns nicht gefällt.
Fleuries Puls raste. Sie trat
dichter an die Gardine, beobachtete und fragte sich, was die trieben. Denn die
beiden Jugendlichen steckten nichts ein, ließen auch das Geld unangetastet, das
immer in reichlicher Menge in Markus’ Schreibtisch lag.
Die suchen was. Ja, die suchen
was. Hat’s zu tun mit gestern Nacht? Mit dem Landesmuseum? Dann könnt ihr lange
suchen, dachte sie hämisch.
Der ›Tanzende Tiger‹ —
inzwischen in einem flachen Karton wohl verwahrt — lag unter ihrem Bett.
Sie stand jetzt dicht hinter
der Gardine. Einer der Jungs war offenbar misstrauisch und blickte mehrmals
herüber. Sie rührte sich nicht. Natürlich musste sie Markus anrufen. Aber wenn
sie zum Telefon lief, konnte sie nicht mehr beobachten — und das war jetzt
wichtiger. Der Anruf konnte einen Augenblick warten.
Sie musterte die sehr
unterschiedlichen Jungs. Der große, dünne Brillenträger interessierte sich für
Markus’ Fachliteratur. Jetzt war offenbar Schluss der Vorstellung, beide
verließen das Apartment und schlossen die Tür zur Diele.
Fleurie flitzte zum Handy.
Markus meldete sich sofort.
»Wo... wo bist du?«, haspelte
sie.
»Beim Einkaufen! Hallo,
Fleurie! Was ist los?«
»Markus, bei dir sind... bei
dir waren Einbrecher.«
»Waaas?«
»Zwei Jugendliche.«
»Jugendliche?«
»Ja. Sie haben dein Apartment
durchsucht. Aber nicht vandalisch, sondern sorgsam. Ich glaube, es sieht noch
alles aus wie zuvor.«
»Zwei Jugendliche?«
»He, Markus! Bist du ‘n Echo?
Ich bin mir sicher, sie haben nichts mitgenommen.«
Er schien zu überlegen. Dann:
»Wie sehen sie aus?«
»Der eine ist groß, lattendünn,
trägt ‘ne Nickelbrille und einen City-Rucksack. Der andere ist athletisch,
wirkt älter — vielleicht sechzehn Jahre — , hat dunkle Locken unter seiner
Baseballmütze, die er verkehrt herum trägt wie die kleinen Kids, und ein
markantes Gesicht.«
Dilch fluchte. »Der kommt mir
bekannt vor, obwohl ich ihn nur in der Dämmerung und in Bodenlage gesehen
habe.«
»Der Junge hinterm
Landesmuseum?«
»Genau der. Ich hätte gedacht,
er liegt im Krankenhaus. Hat offenbar einen harten Schädel.«
»Und einen schlauen dazu. Sonst
wäre er dir nicht so schnell auf die Spur gekommen.«
»Ich fasse es nicht. Wie macht
der das? Offenbar haben sie nach dem Gemälde gesucht, was ich aber nicht merken
soll.«
»Die Polizei haben sie nicht
verständigt. Sonst hättest du schon Besuch.«
»Du sagst es. Und das ist gut,
Fleurie. Denn damit bin ich am Zug. Es ist klar, was die vorhaben. Sie
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