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Es geschah in einer Regennacht

Es geschah in einer Regennacht

Titel: Es geschah in einer Regennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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seine Jacken erst am Montag. Ich nehme sie mit
in den Unterricht.«
    »Dein Lehrer lässt sich wohl
gern bedienen?«, fragte sie spitz.
    Tim hob grinsend die Schultern.
»So genau kennen wir ihn noch nicht.«
    Seine Freunde blickten ihm
entgegen. Tim schüttelte den Kopf. »Der Bon entscheidet. Niemand kennt
irgendwen.«
    »Dann führt unsere
hoffnungsvolle Spur voll gegen die Wand«, stellte Gaby fest.
    »Es sei denn«, meinte Klößchen,
»wir hinterlassen hier unsere Adresse. Und wenn der Jackenbesitzer auftaucht,
soll er sich bei dir melden, Tim.«
    Er erntete mitleidige Blicke.
    »War ja nur ‘ne Idee«, sagte
Klößchen. »Aber vielleicht haben wir Glück und in einer Tasche steckt eine
chemisch gereinigte Visitenkarte.«
    »Klößchen!«, schaltete sich
Karl ein. »Die Taschen werden überprüft, bevor es in die Vollwäsche geht. Es
könnte ja irgendwo ein vergessener Hunderter knittern. Den der Kunde dann natürlich
zurückkriegt.«
    Ein blasser Gedanke kam Tim in
dieser Sekunde, war aber wenig verheißungsvoll. Er drehte sich um. Nein, die
Kassiererin konnte sie nicht sehen. Sie befanden sich im toten Winkel hinter
großen Containern.
    Tim schnappte sich den ersten
Plastikbeutel. Es war der mit dem Blazer. Die Jacke hing auf einem dünnen
Drahtbügel. Tim fetzte die Plastikhülle ab.
    »Was tust du?«, fragte Gaby.
»Anprobe?«
    Tim grinste. Der Blazer war
zugeknöpft. Tim öffnete ihn und dachte: Die Chancen stehen sicherlich eins zu
tausend. Aber dieses Gewand sieht schnieke aus, könnte Maßanfertigung sein oder
wenigstens Maßkonfektion.
    Tim klappte den Blazer auf.
    Das Futter bestand aus
dunkelroter Seide. Und unter der inneren linken Brusttasche — Tim hätte fast
losgebrüllt — war der Name des Kaftan-Trägers mit goldfarbenem Zwirn
eingestickt.
    Alle starrten darauf.
    Karl und Klößchen, die den
Blazer von der Kragenseite aus sahen, beugten sich vor und buchstabierten die
auf dem Kopf stehende Schrift.
    »M... u... r...«, murmelte
Klößchen.
    »Markus«, sagte Tim. »Markus
Dilch. In Satans Namen, haben wir einen Dusel! Markus Dilch. Diesem Menschen
gehört diese Jacke. Und mein Instinkt vermeldet, dass er absolut personengleich
ist mit einem der Kunsträuber. Gaby, wir sind nicht an die Wand gedonnert. Die
Fährte ist heiß.«

    Alle grinsten. Klößchen schlug
vor, auch bei dem Sakko nachzusehen.
    »Vielleicht gehört’s dem
andern.«
    Tim tat ihm den Gefallen, aber
auch das Sakko — ebenfalls von bester Qualität — gehörte Dilch. Diesmal war das
Innenfutter dunkelgrün und die Namensstickerei burgunderrot.
    »Und nun?« Karl nahm seine
Nickelbrille ab und hauchte auf die Gläser.
    »Kennt jemand zufällig einen
Markus Dilch?«, feixte Klößchen.
    »Hoffen wir, dass er im
Telefonbuch steht«, sagte Tim.
    Sie fuhren zum Postamt in der
Wimröder Landstraße und blätterten in dem fetten Wälzer unter D.
    Es gab nur einen Markus Dilch
in der Millionenstadt, jedenfalls nur einen mit Festnetzanschluss. Und das
Glück war wiederum aufseiten von TKKG, denn auch Dilchs Adresse war angegeben.
Er wohnte nur zwei Straßen entfernt.
    »Das ist doch die Gegend mit
den beiden Wohntürmen«, erinnerte sich Karl. »Das ganze Viertel hat sich
aufgeregt, weil diese Apartment-Giganten nicht ins Stadtbild passen, jedenfalls
nicht an dieser Stelle. Aber der Bauherr, ein privater Investor, hat vermutlich
die Entscheidungsträger beim Bauamt geschmiert und die Betonriesen schnell
hochgezogen. Bevor die Proteste richtig in Gang kamen, war alles fertig. Und
Abriss kam nicht mehr infrage.«
    Davon habe ich gelesen, dachte
Tim. Das war vor drei Jahren. Damals hatte ich gerade angefangen, in der
Zeitung nicht nur den Sportteil zu lesen.
    Sie radelten zur Dilch-Adresse.
Und stellten fest: Der Verdächtige wohnte in einem der Wohntürme. Wenn man
davor stand — im rechten.
    TKKG verharrten am
Bordsteinrand und ließen den Anblick auf sich wirken. Die Gebäude waren
erstaunlich schmal, aber vierzehn Stockwerke hoch. Beton, Stahl, Glas.
    Von oben, dachte Tim, hat man
sicherlich einen tollen Blick über die Dächer der Stadt, aber die Balkone sind
winzig. Nur ein einziger Liegestuhl hat Platz. Sonst nichts.
    »Diese Balkone!«, meinte Gaby.
»Die haben so fürchterlich weit auseinander stehende Gitterstäbe. Ist nur was
für Schwindelfreie. Und nicht für Familien. Ein krabbelndes Baby könnte
durchrutschen.«
    Tim schätzte, dass es pro Etage
nur vier Apartments gab — mit nicht allzu viel Wohnfläche. Aber die

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