Es geschah in einer Sommernacht
wusste, was er wollte.
„Ich bin kurz davor, einen geschäftlichen Deal einzufädeln, und ich werde dafür sorgen, dass unser Freund davon erfährt. Er wird denken, dass es die perfekte Gelegenheit ist, mir eins auszuwischen. Sobald er reagiert und versucht, mir diese Firma wegzuschnappen, wird er sich übernehmen. Und dann bin ich am Zug: Ich werde meine Schulden zurückfordern.“
Er grinste mit einem so eiskalten Ausdruck, dass Marina beinahe Mitleid mit dem Opfer bekam. Ronan Carlisle wollte den Mann, der seine Geliebte verletzt hatte, am Boden sehen. Und er würde nicht aufgeben, bis es so weit war.
„Der Zeitpunkt ist perfekt“, fuhr er fort. „Mit Ihrer Hilfe können wir Wakefield da packen, wo er am empfindlichsten ist: an seinem Ego und an seiner Brieftasche. Ich werde ihn dazu bringen, Marina Enterprises zurückzugeben. Sie und Ihr Bruder werden Wakefield und Ihre Schulden los, wenn Sie mir helfen.“
Es klang so einfach. Zu einfach. Marina hatte gelernt, dass nichts im Leben so einfach war. Solche Millionengeschäfte waren viel schwieriger und riskanter, als Ronan es beschrieb.
Und auch wenn Ronan ein kühl berechnender Geschäftsmann war und vermutlich alle Risiken abgewogen hatte, so lag er doch in einem Punkt gründlich falsch: Sie war nicht die Sorte Frau, nach der die Männer sich verzehrten. Noch nie hatte sie einen richtigen Freund gehabt. Wie sollte gerade sie einen Mann verführen?
Nervös fuhr sie sich durchs Haar. Dieser Mann hatte in nur vierundzwanzig Stunden ihr komplettes Leben durcheinandergebracht. Wie hatte sie nur einen Moment lang glauben können, ihm ebenbürtig zu sein? Sie war ein Goldfisch, der ausVersehen im Haifischbecken gelandet war.
„Es tut mir leid“, meinte sie schließlich. „Aber das wird nicht klappen.“
Stunden später hörte Marina noch immer Ronan Carlisles Stimme in ihrem Kopf. Noch immer spürte sie seine Gegenwart. Sie ging in ihrem Schlafzimmer auf und ab, zu aufgeregt, um zu schlafen, während die Gedanken sich überschlugen. Krampfhaft überlegte sie, wie sie wieder Ordnung in das Chaos ihres Lebens bringen sollte.
Als sie zufällig einen Blick in den Spiegel warf, bemerkte sie mit Entsetzen die wilde Haarmähne, die unordentlich in alle Richtungen abstand. Sie musste sich endlich die Haare abschneiden lassen. Jetzt, wo ihr Vater nicht mehr lebte, würde es niemanden stören. Unwillig strich sich Marina die Locken aus dem Gesicht.
Seit dem Unfall hatte sie sich verändert. Ihre Wangenknochen standen deutlicher hervor, und ihre Lippen wirkten voller. Sie runzelte die Stirn. Vielleicht wurde sie auch nur erwachsen und hatte sich noch nicht richtig im Spiegel betrachtet.
Das hatte sie sowieso nie gern getan. Seit sie dreizehn war und die ersten Freundinnen weibliche Rundungen bekamen, hasste sie Spiegel. In diesem Alter hätte man für eine Figur wie ihre selbstbewusst sein müssen, und das war sie nicht. Nicht mit dreizehn. Vor allem nicht, nachdem ihre Mutter gestorben war.
Marina hatte sich in die Küche geflüchtet und versucht, sich mit Essen zu trösten und sich anstelle ihrer Mutter um die Familie zu kümmern. Von da an war es einfach gewesen: für die Schule lernen, arbeiten, die Familie versorgen. Und die ganzen schlanken, hübschen Mädchen nicht beachten, die nichts anderes als Jungs, Mode oder die nächste Party im Kopf hatten.
Seufzend blickte sie an sich hinunter, glättete den seidigen Stoff ihres Nachthemds und versuchte sich so zu sehen, wie Ronan sie gestern Nacht gesehen hatte.
Vielleicht hatte er ja recht …? Marina betrachtete sich in der Fensterscheibe. Ihre Brüste und Hüften waren zwar noch immer üppig, aber trotzdem fest und wohlgeformt. Nein, sie war tatsächlich nicht mehr der plumpe Teenager von damals. Aber schön? Verführerisch?
Das Telefon klingelte, und sie runzelte die Stirn. Wer rief so spät noch an?
Erst eineViertelstunde später legte sie den Hörer wieder auf. Ihr war schwindelig. Was würde sich das Leben noch alles einfallen lassen?
Der drohende Verlust der Firma hatte Seb zur Vernunft gebracht. Er arbeitete Tag und Nacht, um zu retten, was zu retten war. In den letzten Wochen war er so viel erwachsener und reifer geworden. Offenbar hatte er seine Verantwortung der Familie und den Angestellten gegenüber erkannt. Aber die neusten Entwicklungen hatten ihn aus der Bahn geworfen.
Jetzt saß Marina bewegungslos da und überlegte, was sie tun sollte. Ihr Blick fiel auf die Visitenkarte auf ihrem
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