Es geschah in einer Sommernacht
Nachttisch. Ronan Carlisle hatte ihr seine Privatnummer gegeben – nur für den Fall, dass sie ihre Meinung ändern sollte.
Sie holte Luft. Einmal, zweimal.
Hatte sie tatsächlich ihre Meinung geändert?
Nun, eigentlich spielte das keine Rolle mehr. Nicht, nachdem Seb ihr erzählt hatte, dass sie nicht die Einzigen waren, die ihr Erbe verloren. Nicht, nachdem er gebeichtet hatte, dass Emma schwanger war.
Sie wusste, was ihrVater getan hätte: alles auf eine Karte setzen, um die Firma zu retten. Und plötzlich wurde Marina klar, dass sie nur diese eine Chance hatte.
Ohne lange darüber nachzudenken, griff sie zum Hörer und wählte Ronans Nummer. Er nahm sofort ab. „Carlisle.“ Der Klang seiner Stimme genügte, um ein Feuerwerk der Sehnsucht in ihr zu entfachen.
Sie wusste, dass sie es bereuen würde. Sie wusste es ganz genau.
„Ich bin es“, flüsterte sie. „Marina Lucchesi. Ich habe es mir anders überlegt.“
6. KAPITEL
„Sind die nicht etwas übertrieben?“ Unsicher betrachtete Marina die zehn Zentimeter hohen Pumps, in denen ihre Füße steckten. Die Schuhe waren mit glitzernden Diamanten bestickt, schwarze Seidenbändchen wanden sich elegant um ihre Fesseln.
„Machen Sie Witze?“ Bella Montrose beugte sich in ihrem Designerstuhl vor, um die Schuhe eingehend zu betrachten. „Sie wollten Dynamit, Schätzchen. Das hier ist pures Dynamit.“
Marina warf der eleganten Stylistin mit der dunklen, rauchigen Stimme einen skeptischen Blick zu. Seit drei Tagen schon wich Bella nicht mehr von ihrer Seite.
Die Überheblichkeit, mit der Ronan verkündet hatte, dass sich ab jetzt eine Fachfrau um Marina kümmern werde, wurmte sie heute noch. Genauso wie die Selbstzufriedenheit, mit der er auf ihren plötzlichen Meinungsumschwung reagiert hatte. Als ob ihm von Anfang an klar gewesen war, dass sie früher oder später tun würde, was er wollte.
„Also?“ Bella hob eine perfekt gezupfte Augebraue und bedachte Marina mit einem Blick, der bei einer weniger eleganten Frau herablassend gewirkt hätte. „Sie lieben die Schühchen. Geben Sie es doch einfach zu.“
„Wenn ich etwas sagen darf“, mischte sich dieVerkäuferin ein. „Es sind genau die richtigen Schuhe für einen besonderen Anlass. Die Seidenbänder betonen ihre wunderschönen Beine ganz hervorragend.“
Marina drehte ihren Fuß nach außen und starrte in den Ganzkörperspiegel. Sie hatte tatsächlich noch nie solche Schuhe getragen. So hoch, so sexy – und so unglaublich teuer. Immer hatte sie Angst gehabt, in solchen Schuhen albern auszusehen. Aber ihre Füße waren schön geformt, etwas, das ihr noch nie zuvor aufgefallen war. Die Gelenke wirkten zierlich und die Waden sahen … ja, weiblich aus.
Obwohl sie ihr liebstes Sommerkleid trug – ein Stück, das Bella am liebsten verbrannt hätte, weil es so weit geschnitten war –, sah sie mit diesen Schuhen irgendwie anders aus. Wie eine Frau von Welt.
Bei diesem Gedanken musste sie fast lachen. Doch dann fiel ihr Blick auf die neue Frisur. Was für eineVerwandlung!
Die etlichen Stunden bei einem der exklusivsten Friseure der Stadt hatten sich gelohnt. Marina verstand immer noch nicht ganz, was die Stylisten mit ihr gemacht hatten. Das Ergebnis war jedenfalls kein Vergleich zu der störrischen Mähne, mit der sie sich seit Jahren abmühte. Die wirren Locken glitten jetzt in sanften Wellen über ihre Schultern und rahmten schmeichelnd ihr Gesicht ein.
Sogar ihre Hände sahen anders aus, viel weiblicher und zarter mit oval gefeilten, dezent lackierten Nägeln.
Marina blinzelte.
War das wirklich sie dort im Spiegelbild?
„Ich nehme die Schuhe“, hörte sie sich sagen. Vielleicht passten die Pumps ja wirklich zu ihrem neuen Outfit. Vielleicht hatte sie aber auch einfach keine Lust mehr, immer nur vernünftig zu sein.
Dank Bella machte ihr das Einkaufen beinahe Spaß .
„Und die roten nimmt sie auch“, fügte Bella hinzu.
Marina wollte schon protestieren, doch dann überlegte sie es sich anders. Die roten Sandaletten passten perfekt zu dem Kleid, das sie vorhin gekauft hatte. Sogar sie, die nicht viel von Mode verstand, wusste das.
Obwohl sie indendreiTagen mitBella schoneiniges über Mode und Stil dazugelernt hatte. Sie hatten sich über Farben, Schnitte, Stoffe, Haltung und Make-up ausgetauscht und verschiedene Kombinationen getestet.
Dutzende Outfits wurden anprobiert, bis Marina schließlich selbst sah, warum einige fantastisch an ihr aussahen und andere ihr überhaupt nicht
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