Es gibt kein nächstes Mal
Picknick aufs Land gefahren und hatte in der Nähe eines wunderschönen
Landhauses mit einem verwilderten Garten geparkt. Nachdem sie ihre Sandwiches gegessen
hatten, fragte er sie, ob sie sich das Haus gern näher ansehen würde. Zum Glück
hatte sie Jeans getragen und kein Kleid, und daher war sie hinter ihm über den
Zaun gestiegen und ihm durch die Brombeersträucher gefolgt, und dabei hatte sie
den Kopf gesenkt, damit man sie vom Haus aus nicht sehen konnte. Es gab einen
ungemähten Tennisplatz und einen Swimmingpool, der mit grünem Schleim überzogen
war. Estella flüsterte, wie schockierend es doch war, daß die Besitzer das
Grundstück derart verkommen ließen. Darüber hatte er gelacht. Sie näherten sich
dem Haus und schlichen sich durch das Unterholz wie zwei Armeekadetten in der
Ausbildung. An die Rückfront des Hauses war ein Treibhaus angebaut, doch die
Pflanzen darin waren vertrocknet und braun. Bertie stieß die Tür auf. Sie
quietschte, und Estella zuckte zurück.
»Glaubst du, das Haus steht leer?« fragte sie
nervös und rechnete damit, daß jeden Moment ein erboster Besitzer herauskommen
und sie wie ungezogene Kinder verscheuchen würde.
»Sehen wir doch einfach nach«, sagte Bertie
kühn.
In der Küche stand ein riesiger
Refektoriumstisch, und über einem steinernen Spülbecken tropfte ein Hahn. Sie
standen da und beobachteten die tanzenden Sonnenstäubchen.
Dann hatte Bertie gesagt: »Glaubst du, du
könntest hier glücklich werden?«
Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gewußt,
daß er reich war, berichtete Estella ihrer Schwester mehrfach. Lehrer waren
nicht reich, das wußte man schließlich, nicht wahr? Er kleidete sich immer so
schäbig, und seine Jacken hatten Lederflicken auf den Ellbogen. Doch sie
stellte fest, daß er nur Abendkurse gab, weil er Spaß an seinen Schülern und am
Unterrichten hatte. Das Dasein als Illustrator war für seinen Geschmack ein zu
einsames Leben.
Wäre Estella, fragte er und nahm ihre Hand in
seine, bereit, sein Leben mit ihm zu teilen und dieses hinreißende Haus mit
Farbe und Leben zu füllen?
Shirley erkannte, daß sie die Morgenzeitung
angestarrt hatte, ohne auch nur ein Wort zu lesen. Estella war dort glücklich
gewesen, mehr als zwanzig Jahre lang, sagte sie sich. Sie hatte sich das Haus
angeeignet, es mit Möbeln eingerichtet und ihm ihren eigenen Geschmack
aufgeprägt. Sie war zur Dame des Hauses geworden, und diese Rolle hatte ihr gut
gefallen. Bis Bertie gestorben war. Und dann hatte der Kummer sie derart
überwältigt, daß sie nicht weiterwußte. Oder zumindest hatte Shirley sich das
immer gesagt. Es war die einzig logische Erklärung.
Es sei denn, man kannte Stella. Denn wenn man
sie kannte, dann wußte man, daß sich die Dinge nicht ganz so einfach verhalten
konnten. Stella war eine Überlebenskünstlerin. Betroffen über den Verlust eines
Mannes, den sie geliebt hatte und der ihr soviel gegeben hatte? Ja,
selbstverständlich. Aber selbstmörderische Tendenzen?
Shirley goß sich eine Tasse Tee ein. Er war
schon kalt geworden, doch sie trank ihn trotzdem. Dann spülte sie ihr
Frühstücksgeschirr. Die Wohnung sah sauber und ordentlich aus. Sie fragte sich,
ob sie noch die Zeit hatte, schnell mit dem Staubsauger durchzugehen. Sie
brauchte dringend Beschäftigung, um sich abzulenken. Ihre Handflächen
schwitzten, und sie glaubte nicht, daß es an der Hitze lag.
Sie hatte damit gerechnet, schon eher etwas von
Gemma zu hören. Sie war auf einen Besuch am Wochenende vorbereitet gewesen, und
dann war nichts passiert, und sie hatte begonnen, sich zu fragen, ob etwas
nicht stimmte. Sie wußte, daß ihre Nichte Fragen haben würde. Gemma war
gründlich. Sie war es schon immer gewesen. Warum also dauerte es so lange?
Dann hatte sie ganz früh am Morgen angerufen und
gesagt, sie nähme sich den Tag frei, und plötzlich ging ihr alles viel zu
schnell, und Shirley war erneut in helle Panik geraten.
Sie beschloß, sich auf ihr Bett zu legen. Da die
Vorhänge noch zugezogen waren, war es kühl im Schlafzimmer. Das Puppenhaus war
zugeklappt. Seine Faszination hatte sich schnell abgenutzt, und sie hatte sich
schon bald gesagt, was für eine alte Närrin sie doch gewesen sei, es zu kaufen.
Es war ein hübscher Schnickschnack, und da Gemma jetzt einen netten Mann
gefunden hatte, würde sie vielleicht eines Tages eine Großnichte haben, der sie
es schenken konnte. Shirley schloß die Augen und versuchte, sich zu entspannen.
Während des ersten
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