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Es gibt kein nächstes Mal

Es gibt kein nächstes Mal

Titel: Es gibt kein nächstes Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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riß die Tür auf und lief ihm entgegen, um
ihn zu umarmen; dabei küßte sie ihn enthusiastisch auf die Wange. Als sie
zurücktrat, um ihn ins Wohnzimmer zu lassen, stellte sie gerührt fest, daß er
errötet war.
    Sie bot ihm ein Glas Wein an und fühlte sich als
Hausherrin plötzlich sehr erwachsen. Abgesehen von Berties Beerdigung, bei der
sie kaum mit jemandem geredet hatte, konnte sie sich nicht erinnern, Jonathan
gesehen zu haben, seit sie ein junges Mädchen gewesen war. Er war elf Jahre
älter als sie, und während sie heranwuchs, hatte sie ihn wie einen Helden
verehrt. Es war ein seltsames, fast schon peinliches Gefühl, ihm jetzt als
erwachsene Frau gegenüberzustehen.
    Früher hatte er jeden Monat ein Wochenende in
Whitton House verbracht. Er war ein launischer Junge, der sich stundenlang in
seinem Zimmer einschloß, um zu lesen, aber er war immer außerordentlich nett zu
Gemma gewesen, obwohl ihre Geburt, wie sie jetzt glaubte, die direkte Ursache
für die Zerrüttung seiner Familie gewesen sein mußte. Sie erinnerte sich noch
daran, daß er es ihr erlaubt hatte, bei ihm zu sitzen, solange sie sich still
verhielt, und manchmal belohnte er ihre Geduld damit, daß er ihr ein Kapitel
aus Der Kampf um die Insel von Arthur Ransome vorlas.
    Jetzt saß er auf ihrem Sofa, trank Wein und
versuchte zu rekonstruieren, wann sie einander vor Berties Beerdigung das
letzte Mal begegnet waren.
    »Hast du mich jemals in Oxford besucht?« fragte
sie.
    »Du hast mich eingeladen, soviel weiß ich genau.
Du hast deinen einundzwanzigsten Geburtstag im Clubhaus eines Kricketclubs
gefeiert. Ich bin mir zu alt vorgekommen, um zu dieser Feier zu erscheinen. Ich
konnte mich noch gut an diese Parties erinnern — >Brown Sugar< in
ohrenbetäubender Lautstärke, Leute, die sich auf dem Rasen übergeben,
knutschende Pärchen, die sich auf der Veranda herumwälzen.«
    Sie lachte.
    »Ja, es hatte schon etwas davon«, gab sie zu.
»Ich erinnere mich noch daran, daß ich bei dir zu Besuch war, als du in Oriel
warst...«
    »Mit Bertie?«
    »Ja, es war kurz vor deinen Abschlußprüfungen.
Wir haben bei Browns Tee getrunken. Ich glaube, was mich mehr als alles andere
an Oxford gereizt hat und weshalb ich selbst dort studieren wollte, das war die
Bananenmalzmilch!«
    »Oh, ja. Jetzt kann ich mich wieder erinnern. Du
warst ein ungeheuer ernstes kleines Mädchen, bis es darum ging, die letzten
Tropfen von deinem Milkshake aus dem Glas zu saugen, aber dann hast du echt
laut geschlürft...«
    »Wie nett von dir, daß du mich wieder daran
erinnerst!« sagte sie lachend.
    Sie wußte nicht, ob sie sich tatsächlich an das
Gespräch erinnerte, das sie an jenem Tag bei Browns geführt hatten, in diesem
Ambiente, das dem Kolonialstil nachempfunden war, umgeben von riesigen Spiegeln
mit erhabenen Rahmen und Palmen, oder ob sie so oft gehört hatte, wie ihr Vater
seinen Freunden davon berichtet hatte, daß eine Art Familienlegende daraus
geworden war, eine von vielen Geschichten, die ihre Kindheit bildeten.
    Anscheinend hatte sie angekündigt, daß auch sie
später einmal in Oxford studieren würde.
    »Und was willst du studieren?« hatte Jonathan
gefragt.
    »Bücher und so«, hatte sie erwidert.
    »Das meine ich doch nicht, du Dummerchen. Was
für ein Fach willst du belegen? Bücher lesen wir doch alle.«
    »Was studierst du denn?« hatte sie gefragt,
da sie augenblicklich kapiert hatte, daß ihr ein Fehler unterlaufen war.
    »Politik, Philosophie und Volkswirtschaft«,
hatte er erwidert.
    »Oh, das klingt interessant. Ich glaube, das
werde ich auch studieren«, hatte sie gesagt, und Bertie hatte Jonathan
anscheinend unter dem Tisch ans Schienbein getreten, damit er nicht laut
lachte.
    Sie füllte sein Glas, und sie begannen,
Geschichten darüber auszutauschen, was sich in der letzten Zeit in ihrem Leben
abgespielt hatte.
    »Mein Gott, wieviel Pech wir beide doch haben!«
sagte Jonathan. »Meine Ehe geht in die Brüche. Du verlierst deinen Mann. Was
glaubst du, was es mit unserer Familie auf sich hat?«
    »Solche Dinge kommen in jeder Familie vor. Es
ist nur einfach so, daß die Schicksalsschläge in den meisten Familien nicht
ganz so dicht aufeinanderfolgen«, erwiderte Gemma vergnügt. »Ich tröste mich
mit dem Gedanken, daß ich anscheinend alles Eklige hinter mich bringe, solange
ich noch jung bin. Zumindest sollte ich ein relativ glückliches Alter vor mir
haben.«
    »Meine Mutter ist immer noch gut in Form«, sagte
Jonathan.
    Gemma war Berties

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