Es gibt kein nächstes Mal
verschiedenen Lebenslagen zu finden, die
bereit gewesen waren, sich mit ihr zu unterhalten, aber als sie ihre Notizen
ansah, stellte sie fest, daß sie sich diese Mühe eigentlich hätte sparen
können, da alle genau das gesagt hatten, womit sie von vornherein gerechnet hatte:
Die Geliebte stellte dem Gespräch die Proklamation voran, sie hätte die beste
aller Welten gewählt, denn sie müßte auf nichts verzichten — weder auf ihre
Unabhängigkeit noch auf phantastischen Sex. Sie bräuchte seine schmutzigen
Sportsocken nicht zu waschen, sagte sie. Tatsächlich sagte sie es sogar so oft,
daß Daisy am Ende des Interviews zu der Überzeugung gelangt war, er müsse
entweder gräßlich stinkende Füße haben oder die Geliebte hätte in Wirklichkeit
nichts lieber getan, als ihm nach vollendetem Tagwerk diese Steine des Anstoßes
von den Füßen zu ziehen und in der Zanussi-Maschine, die in ihrer fleckenlosen
Küche einen Ehrenplatz einnahm, den Kochwaschgang durchlaufen zu lassen.
Die Lesbierin sagte, sie hätte sich selbst
verwirklicht und fühlte sich rundum glücklich und ausgefüllt, und dann
erkundigte sie sich gereizt danach, warum Daisy denn so überrascht wirkte.
Daisy widerstand dem Drang zu sagen, sie hätte die Partnerin der Frau gesehen,
die sich gerade auf den Weg zur Arbeit gemacht hatte, als Daisy eingetroffen
war, und es fiele ihr schwer, zu glauben, daß man mit einer Politesse eine
rundum zufriedenstellende Beziehung haben könnte.
Die verheiratete Frau mit Kleinkind jammerte,
Kinder zu haben sei doch viel ermüdender, als man es sich allgemein vorstelle,
doch es sei die Mühe wert. Sie sprach wie eine Märtyrerin, als müsse man für
ihr Leiden nicht nur Mitgefühl aufbringen, sondern zudem auch noch eine gewisse
Bewunderung.
Die Frau, die schon seit ein paar Jahren mit
ihrem Freund zusammenlebte, schien die Romantik gegen eine Leidenschaft fürs
Do-it-yourself eingetauscht zu haben. Daisy fragte sich, wie sie den Sex auf
dem Hochbett bewerkstelligten, das nachweisbar eine Menge Raum für Schrankwände
und eine Werkbank hat, jedoch bedrohlich dicht unter der Decke zu schweben
schien.
Die einzige Karrierefrau sagte, sie sei zu
beschäftigt, um Beziehungen mit Männern aufzubauen, doch ihre biologische Uhr
ticke durchaus.
Warum, dachte Daisy, finde ich nie einen Single
ohne biologische Uhr? Oder eine Frau, die jahrelang mit ihrem Freund
zusammengelebt hat und bereit ist, zuzugeben, daß sie Schluß machen möchte,
aber viel zu faul oder zu furchtsam ist, um auszusteigen? Oder eine Frau, die
einfach nur rum vögelt? Aber weshalb hätte andererseits jemand einer
Journalistin die Wahrheit erzählen sollen? Wenn eine ihrer Kolleginnen Daisy
nach ihrem eigenen Liebesleben gefragt hätte, wäre sie auch nicht gerade mit
der Wahrheit herausgerückt.
Sie sah sich die Bilder an, die der Fotograf von
den Befragten aufgenommen hatte. Auf sämtlichen Gesichtern stand ein falsches
Lächeln, aber wenn es nicht ihre Einbildung war, dann lächelten diejenigen, die
einen Partner hatten, strahlender als die Frauen ohne Partner.
»Es scheint ganz so, als zögen die meisten
modernen Frauen nach wie vor die Monogamie in ihren verschiedenen Formen vor.
ENDE«, tippte sie. Nun, die Fierausgeberin, eine Frau, die sich selbst als
Postfeministin bezeichnete, als sei das etwas, worauf man stolz sein könne,
würde den Artikel sicherlich gutheißen.
Es gab natürlich noch jede Menge weiterer
Alternativen in der Liebe. Bei dem älteren Paar in der Souterrainwohnung, das
Oliver »Hansel und Gretel« nannte, handelte es sich um Bruder und Schwester,
die den größten Teil ihres Lebens in dem riesigen viktorianischen Haus in
Hampstead verbracht hatten. Als ihre Eltern gestorben waren, waren sie
vernünftigerweise in das untere Stockwerk gezogen und hatten den Rest des
Hauses in drei große Wohnungen umgewandelt. Oliver wollte schon immer in
Erfahrung bringen, ob sie beide in einem Zimmer oder in getrennten Zimmern
schliefen, doch er hatte nie wirklich den Mut zum Schnüffeln aufgebracht. Er
hatte Daisy lasziv angetragen, die beiden für ihren Artikel zu interviewen,
doch sie waren in ihren Achtzigern viel zu alt für die Zeitschrift.
Daisy hatte mit dem Gedanken gespielt, eine
geschiedene Frau zu befragen, doch die Herausgeberin hatte gesagt, das sei zu
deprimierend. Daisy hatte sich einen Moment lang gefragt, ob sie wohl eine
reine Zweckehe aufspüren könnte, aber nach der Erfahrung, die ihre Schwester
gerade erst hinter
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