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Es ist ja so einfach

Es ist ja so einfach

Titel: Es ist ja so einfach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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ich mir wütend vor, auch, daß die Tränen ein Zeichen von Schwäche seien und ich mir jetzt Schwäche weniger leisten könne denn je. Selbst nachdem ich mir in dieser Weise ganz ergrimmt ins Gewissen geredet hatte, weinte ich weiter, natürlich unhörbar, aber so hemmungslos, daß tatsächlich meine Schultern zuckten wie bei schluchzenden kleinen Kindern.
    Und dann vernahm ich plötzlich Schritte im knirschenden Sand, nicht weit von mir. Bruce!? Welch böser Geist führte den ausgerechnet um diese Stunde an den Strand? Ich lag vollkommen still, in dem Glauben, er werde mich im Zwielicht des Abends nicht bemerken, aber ich konnte, sosehr ich mich bemühte, diese mich erbitternden schweren Schluchzer nicht unterdrücken.
    Eine Stimme sagte »Hallo! Wäre beinah auf Sie getreten. Nanu, was ist denn? Sie haben wohl kein ganz frohes Weihnachten?«
    Mit einem Ruck richtete ich mich auf. Es war nicht Bruce: Es war sein widerlicher Vetter; der Kerl war aus irgendeinem Grunde nicht mit den anderen gefahren. Ich schluckte verzweifelt, doch meine Stimme bebte, als ich sagte: »Entschuldigen Sie, ich weiß, daß ich hier nicht sein darf, aber ich dachte, Sie seien mit Beales weggefahren.«
    »Ich ließ sie Bruce an meiner Stelle mitnehmen, dem liegt das mehr... Die bei Ihnen drüben scheinen sich ja fein zu amüsieren. Warum sind Sie denn nicht bei denen?«
    Zu meinem Erstaunen hatte er sich auf seinen langen Beinen neben mir niedergelassen und sprach so sanft und freundlich, wie ich es von ihm gar nicht kannte.
    Ich sagte: »Mir ist heute abend nicht festlich zumute, aber ich bedaure, hier eingedrungen zu sein.«
    »Ach, zum Kuckuck damit! Aber ist Ihnen nicht gut? Kann ich etwas für Sie tun?«
    Entsetzt bemerkte ich, daß die Sympathie in seinem Ton mich wieder zum Heulen reizte. Das machte mich so wütend, daß ich ärgerlich zurückgab: »Nein, absolut nichts. Mir — fehlt nichts und ich werde jetzt wieder hinübergehen.«
    »Ach was, bleiben Sie nur sitzen, solange Sie mögen, aber sagen Sie mir, ob etwas Sie bedrückt. Ihr Hund kann doch nicht schon wieder Junge haben, nach so kurzer Zeit?« Er versuchte, begütigend zu lachen, und setzte ernster hinzu: »Tränen zu Weihnachten, das paßt doch aber wirklich nicht.«
    »Ach, ich bin närrisch. Kümmern Sie sich nicht darum. Bloß Müdigkeit und ein bißchen Sorge, weil Peter wieder krank ist.« Und plötzlich ertappte ich mich dabei, daß ich ihm von Peters früherer Krankheit erzählte und wie wir dadurch zu diesem Unternehmen gekommen waren. »Leider war das wohl ein Fehlgriff, weil er uns vielleicht fortan nicht mehr richtig helfen kann, und wenn er das nicht kann, ist er unglücklich. Und außerdem habe ich die vielen Leute und den Lärm satt. Das ist eigentlich alles.«
    »Und wahrhaftig nicht wenig«, sagte er nachdenklich. »Das also war der Anlaß zu diesem Autocamp! Ich konnte gar nicht verstehen, daß Leute mit gesundem Menschenverstand sich so etwas wünschen.« Das ärgerte mich wieder, und ich entgegnete: »Daß Sie das nicht verstehen, wundert mich gar nicht. Sie können ja nicht wissen, was es heißt, ohne Geld mit einem Darlehen dazusitzen und etwas erreichen zu müssen. Sie haben’s leicht und... Ach, lassen wir das doch, und entschuldigen Sie. Ich gehe jetzt nach Hause. Schönen Dank, daß Sie mich nicht wegen unbefugter Benutzung Ihres Strandes anzeigen und — fröhliche Weihnachten und so weiter.« Bevor er wieder etwas sagen konnte, sprang ich auf, rannte zu der Stelle, wo der Zaun am Wasser endete, und fegte eine Minute später wie ein Blitz unseren Strand hinauf, in den Schutz des Hauses.
    Trina hatte das Licht schon ausgelöscht. Auch Peter schien zu schlafen, obwohl er sich ruhelos hin und her wälzte und hustete. Er sah so erhitzt und fiebrig aus, daß ich beschloß, am nächsten Morgen den Arzt anzurufen, auch wenn Feiertag war. Ich trat leise in mein Zimmer und knipste das Licht an. Ich sah in den Spiegel. Das Make-up auf meinem Gesicht war von Tränen verwischt. Ich sah scheußlich aus und hoffte, daß John Muir beim Mondschein nichts davon bemerkt hatte. Jedenfalls war der lange heiße Tag endlich um. Dankbar ließ ich mich in mein Bett sinken.
    Aber nicht in den Schlaf. Dazu war ich viel zu böse auf mich selber. Was war mir nur eingefallen, mich derart bloßzustellen? Daß ich, Helen Napier, fünfundzwanzig Jahre alt, die erfahrene Frau von Welt, wie eine Halbwüchsige geplärrt und meine traurige Stimmung in das erste beste Paar Ohren

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