Es ist niemals vorbei
ich, eine kleine Aufheiterung könnte uns nur guttun.»
«Na schön.» Ganz unrecht hatte meine Mutter nicht, und eigentlich spielte es auch keine Rolle. Wir bogen um die Ecke in unsere Straße ein. Dort war es ruhiger, und meine Mutter stieß einen erleichterten Seufzer aus. «Wenn Jasmine kommt, wird sie auch auf den Fotos sein. Dann sieht es aus wie auf einer kleinen Party.» Und Ben konnte eines Tages zurückschauen und feststellen, wie gut seine Mutter und Großmutter die Krise bewältigt und alles darangesetzt hatten, um ihn glücklich zu machen.
Schon kurz vor Thanksgiving lernte ich Jasmine ein wenig besser kennen. Eines Tages brachte ich Ben zum Buchladen und gab ihn bei meiner Mutter ab, die eben Feierabend machen und mit ihm in den Park gehen wollte. Auch Jasmine hatte ihre Schicht hinter sich und war im Aufbruch. Es war das erste Mal, dass ich sie nach Halloween wiedersah. Statt Peter Pan stand mir eine junge Frau in enger Jeans, Cowboystiefeln, knapp sitzendem rotem T-Shirt und mit gefiederten Hängeohrringen gegenüber. Sie warf sich eine Lederjacke über, schulterte eine überdimensionale Handtasche und begleitete mich hinaus in den kalten Novembernachmittag.
«Wie wär’s mit einem Drink?», fragte sie.
«Jetzt schon? Es ist doch erst drei Uhr.»
«Na und?»
«Ich bin eigentlich auf dem Weg zu meinem Yogakurs.»
«Yoga?», fragte Jasmine mit schräggelegtem Kopf und gehobenen Brauen.
«Es gehört zu meiner Therapie.»
«Wie bitte? Ich dachte, Sie sind eine knallharte Polizistin, die sich von niemandem etwas sagen lässt.»
«Erstens war ich Polizistin, und zweitens glaubt mein Therapeut, dass es mir guttut.»
«Sieh einer an.» Jasmine hakte sich bei mir ein und steuerte mich fort von dem YMCA an der Atlantic Avenue, dessen Fitnessclub meine Mutter und ich vor kurzem beigetreten waren. Ben nahm dort an einem «Purzelkurs» für Krabbelkinder teil, meine Mutter ging mitunter zur Wasser-Aerobic im Pool, und ich hatte ebenjenen Yogakurs belegt. «Ein Blue Devil», ergänzte Jasmine. «Was halten Sie davon?»
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ein blauer Teufel, der Menschen in ihren Träumen verfolgt? Dann begriff ich, dass sie wahrscheinlich einen Cocktail mit diesem Namen gemeint hatte.
«Kenne ich nicht.»
«Also dann.» Jasmine dirigierte mich nach links in die Dean Street und dann nach rechts in die Smith Street, die zu der Tageszeit von Kids mit Rucksäcken wimmelte, die aus der Schule nach Hause kamen. Ich wehrte mich nicht, das gebe ich offen zu. Yoga war zwar in Ordnung, aber hinterher tat mir immer zwei Tage lang alles weh. Jedenfalls schien es mir reizvoller, irgendwo etwas zu trinken, als den Nachmittag in der Position des nach unten schauenden Hundes zu verbringen. Was die Bars der Smith Street betraf, schien Jasmine sich auszukennen, denn jede, an der wir vorbeikamen, konnte sie kommentieren.
Snack: «Die Tapas sind da längst nicht so gut, wie sie aussehen.»
Ceol: «Nette Kundschaft, stinkt aber nach Bier.»
Bar Great Harry: «Sehr schicki-micki, aber auch da haut der Biergeruch einen um.»
Boat: «Zu rot.»
Angry Wade: «Da ist mal einer der Säufer von einem Sex-Psycho umgebracht worden. Der Killer war noch im Teenageralter.»
«Was denn? Da drinnen in der Bar?»
«Nein zu Hause, aber trotzdem. An seinem Platz in der Bar haben sie so eine Art Schrein errichtet. Richtig unheimlich, wenn man bedenkt.»
Erst das Camp fand Gnade vor Jasmines Augen: «Die Bar ist große Klasse.»
Von außen machte das Camp einen rustikalen Eindruck, der sich drinnen bestätigte. Ich entdeckte ein Hirschgeweih an der Wand, dann einen aufmontierten Kajak, und schließlich erkannte ich, dass die Lampenschirme aus Eimern gefertigt waren. Hinter der Theke hing das Panoramafoto eines Sees. Das Holzfeuer im Kamin verströmte wohlige Wärme. Obwohl es noch früh war, hockten fünf Personen an der Theke, und hinten in dem kleinen Raum saßen zwei Männer an einem Tisch. Jasmine ließ sich in einen der schweren Polstersessel fallen. Ich nahm den Sessel ihr gegenüber, der überhaupt nicht zu dem anderen passte, das aber auf gelungene Weise. In ihm versank ich so tief, dass ich sofort wusste, es würde eine Weile dauern, ehe ich bereit wäre, ihn wieder zu verlassen.
«Riechen Sie das?», fragte Jasmine.
Ich schnupperte und nahm den süßen Duft von Schokolade und Marshmallows wahr, der sich in den des Holzfeuers mischte. «Riecht nach Doppeldeckern.»
Jasmine deutete auf eine
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