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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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schummrige Ecke, in der ein junger Mann an einem grobgezimmerten Holztisch saß und Graham-Cracker mit Schokolade und Marshmallows zubereitete, die ich als Kind im Ferienlager so geliebt hatte.
    «Seit wann wohnen Sie denn schon in Brooklyn?», fragte ich Jasmine.
    «Seit etwa zwei Monaten.»
    «Und dann kennen Sie schon
all
diese Bars und Kneipen?»
    «Ich komme eben herum. Glauben Sie bloß nicht, ich würde zu Hause sitzen und Trübsal blasen.»
    Wahrscheinlich hatte sie genau das auch zu meiner Mutter gesagt. Ich konnte förmlich sehen, wie meine Mutter in ihr das ganze Gegenteil von mir erkannte, und beschloss, Jasmine sei das Vorbild, das ich brauchte. Wenn es mir schlechtging, vergrub ich mich und kapselte mich ab; Jasmine dagegen schien sich in solchen Phasen mitten ins pralle Leben zu stürzen. Darum beneidete ich sie.
    Den «blauen Teufel» lernte ich an diesem Nachmittag nicht kennen, stattdessen probierte ich die Spezialität des Hauses, einen Cocktail namens Dirty Girl Scout, der aus weißer Crème de Menthe und reichlich Wodka bestand. Als Jasmine ihn bestellte, klang es wie ein Abenteuer.
    «Wenn man hier sitzt», bemerkte ich, «könnte man meinen, es wäre schon Abend.»
    «Die Zeit spielt keine Rolle», antwortete Jasmine. «Hier hockt man immer wie an einem Lagerfeuer. Das ist einer der Gründe, weshalb ich das Camp so mag.»
    «Wie oft gehen Sie denn aus?»
    «Na, so fünf- bis sechsmal die Woche.»
    «Ich glaube, das könnte ich nicht. Selbst als ich noch allein gelebt habe, bin ich an meinen freien Abenden meistens zu Hause geblieben.»
    «Sie waren ja auch Polizistin. Wahrscheinlich haben Sie da tagsüber schon genug Aufregendes erlebt.»
    «Was haben Sie denn beruflich gemacht, als Sie noch in –» Ich brach ab, denn ich hatte keine Ahnung, wo Jasmine früher gelebt hatte.
    «Ich komme aus Maine.»
    Verblüfft starrte ich sie an.
    «Ja, Sie haben richtig gehört. Ich war da oben im Norden. Uns findet man
überall

    «Ich wollte Ihnen nicht zu nahe –»
    Jasmine winkte ab. «Keine Bange, ich nehme das nicht persönlich. Es glaubt doch jeder, Leute aus der Dominikanischen Republik leben nur in Städten oder im Süden.»
    «Und was haben Sie – in Maine gemacht?»
    Jasmine zuckte die Achseln. «Alles Mögliche. Mal als Verkäuferin gearbeitet, mal als Kellnerin. Immer im Dienstleistungsgewerbe.»
    «Und Ihr Mann?»
    «Exmann. Der war Skilehrer und hat sich auf den Pisten herumgetrieben.» Sie tat, als überliefe sie ein Schauder. «Mir wird schon kalt, wenn ich nur daran denke. An die ganze Gegend – und an
ihn
. Am besten, wir wechseln das Thema.»
    Also sprachen wir über andere Dinge und ließen alles aus, was mit unseren Ehemännern zu tun hatte – mit dem Leben, das wir noch vor einer Weile geführt hatten. Eins hatten wir gemeinsam: Wir waren beide vor einer Vergangenheit geflohen, die noch immer zum Greifen nah war.
    Bei der zweiten Runde Cocktails beschlossen Jasmine und ich, uns zu duzen. Wir waren gerade dabei, einen Jenga-Turm auseinanderzunehmen, für den wir die Steine aus einem Korb am Kamin gesammelt hatten, als sich die Tür öffnete. Billy Staples kam herein, offenbar zum Ausgehen angezogen, denn er trug Jeans, Cowboystiefel und das karierte Hemd mit den Perlmutt-Druckknöpfen. Die warme, tröstliche Hülle, in die Jasmine mich gelockt hatte, zerbarst jäh.
    «Hey, Karin.» Billy gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich roch den Hauch eines Duftwassers, der sich mit der frischen Novemberluft mischte, die Billy mit hereinbrachte. Erschrocken stellte ich fest, dass mein Herz schneller schlug, als ich ihn sah. Wie an jenem Septembertag, als ich erstmals registriert hatte, wie attraktiv Billy war, zwang ich mich, an etwas anderes zu denken. Wenn ich mich von einem anderen Mann angezogen fühlte, hieß das, dass ich Macs endgültiges Verschwinden oder gar seinen Tod akzeptierte, und dazu war ich noch nicht bereit.
    «Jazz, hallo Baby», gurrte Billy und klang sehr verführerisch dabei. Auch sie bekam einen Schmatz auf die Wange.
    «Woher kennst du Karin?», erkundigte sie sich.
    «Lange Geschichte.» Billy zwinkerte mir zu. «Aber seit wann kennst du Jazz?»
    «Erst seit kurzem. Sie arbeitet mit meiner Mutter im selben Buchladen. Ich kann nicht fassen, wie klein die Welt ist.» Ich versuchte zu lächeln und hoffte, dass ich nicht so angetrunken aussah, wie ich mich fühlte. Ich senkte den Blick, und da fiel mir auf, dass Billy und Jasmine die gleichen Cowboystiefel

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