Es ist niemals vorbei
dachte, er wäre Gott. Bei ihm blieb ich vier Jahre. Das war mein großer Fehler Nummer zwei. Dann kam Joe, der Mann mit den Skiern. Der hielt sich für die Heilige Dreifaltigkeit. Bei ihm hatte es mich richtig erwischt, den habe ich nach sage und schreibe dreieinhalb Wochen
geheiratet
. Sechs Jahre hat die Ehe gedauert, und jetzt bin ich hier. Bereit für einen neuen Anfang. Wohin soll ich eigentlich mit dem ganzen Sellerie, Pam?»
«Der kommt in die große Schüssel da.»
«Und was soll ich als Nächstes machen?»
«Da drüben steht die Packung Paniermehl. Tu einfach das, was hinten draufsteht.»
«Okay.»
«Ist das mit Billy was Ernstes?» Bei der Frage hielt ich den Blick gesenkt und konzentrierte mich darauf, eine Kartoffel perfekt zu schälen.
«Was Ernstes? Wer hat denn das behauptet?» Jasmine lachte glockenhell auf.
«Ich finde ihn sehr nett», erklärte meine Mutter. «Und
attraktiv
.»
«Mom!»
«Was hast du denn? Ich mag ja alt sein, aber deshalb bin ich noch lange nicht blind.»
«Ich wollte nur sagen, dass ich auf sein Aussehen nie geachtet habe.» Ich schnappte mir die nächste Kartoffel. «Billy ist einfach nur – Billy.»
«Dann rate ich dir, demnächst mal genauer hinzuschauen», kam es von Jasmine. «Abgesehen davon scheint er das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Und er ist großzügig.» Sie tippte mit der Spitze eines Stiefels auf den Boden. «Diese Stiefel hat er mir schon nach dem dritten Date gekauft.»
Aus dem Babyphone drang ein Wimmern.
«Ben ist wach», sagte ich.
«Ich gehe zu ihm.» Meine Mutter schüttete die gewaschenen Salatblätter in eine Schüssel und trocknete sich die Hände an dem Küchentuch auf ihrer Schulter ab.
«Lass nur, das mache ich schon.»
In meiner Hast, zu Ben zu gelangen, stieß ich im Wohnzimmer gegen Jasmines Handtasche, die auf einem Sessel lag. Die Tasche fiel herunter, und ihr Inhalt verteilte sich über den Fußboden. Eilig raffte ich alles zusammen, denn Bens Wimmern hatte sich inzwischen zu Gebrüll gesteigert.
«Lass liegen.» Jasmine war hinter mir eingetreten, hockte sich auf den Boden und sammelte Lippenstifte, eine Haarbürste, einen Notizblock und eine Zahnbürstenhülle ein.
Ich reichte ihr ein paar herausgefallene Zettel und ihr Handy und griff nach einem geöffneten Briefumschlag, aus dem ein Flugticket hervorlugte. Das Datum des Flugs sprang mir ins Auge, denn es war für den nächsten Tag.
«Willst du verreisen?» Ich zog das Ticket heraus. «Nach Miami?»
Jasmine riss mir das Ticket aus der Hand und stopfte es in die Handtasche. «Vielleicht.»
«Mit Billy? Eine romantische Liebesreise?»
«Quatsch. Ich fahre
allein
.»
«Aber warum denn?»
Jasmine, die noch immer hockte, stützte die Ellbogen auf die Knie und sah mich an. «Weil ich am Samstag Geburtstag habe, und den möchte ich unter Palmen verbringen, und zwar in der besten Gesellschaft, die ich kenne, und das heißt meiner eigenen.» Sie rappelte sich auf.
«Das wollte ich schon immer mal machen», rief meine Mutter aus der Küche. «Eine tolle Idee.»
Ich lief nach unten zu Ben, der in seinem Bettchen stand und die Gitterstäbe umklammerte. Als er mich sah, versiegten seine Tränen sofort. Er fing an zu lachen und hüpfte auf und ab. Beim Windelwechseln musste ich an Jasmins Geburtstag denken, das Flugticket und ihre Pläne. Warum hatte sie uns nichts davon erzählt? Sie war doch sonst so aufgeschlossen, und das passte nicht so recht zu ihr. Ich war fest davon überzeugt, dass derart extrovertierte Menschen in ihrem tiefsten Herzen einsam waren, möglicherweise sogar mehr als alle anderen, und deshalb ständig Gesellschaft suchten. Aber vielleicht sah Jasmine ihren einsamen Geburtstag ja auch als Herausforderung an, um sich zu beweisen, dass sie niemanden brauchte. Seltsam fand ich es trotzdem.
Während des Dinners unterhielt Jasmine uns mit weiteren Familiengeschichten. Sie berichtete von der Ankunft ihrer Eltern in Bangor vor fünfunddreißig Jahren und wie sie, trotz ihrer Andersartigkeit, allmählich von der einheimischen Bevölkerung akzeptiert wurden. «Sie waren wie ein Gewürz im Haferbrei» war ihr Vergleich. Ihre Geburtstagsreise ging mir nicht aus dem Sinn. An ihrer Stelle würde ich eine Party geben. Ich würde Billy beschwatzen, mit mir tanzen zu gehen. Oder mich spontan entscheiden, für ein paar Tage nach Paris zu fliegen.
Aber ich war nicht Jasmine.
Ich war ich. Wenn ich einer spontanen Eingebung folgte, landete ich meistens in der Patsche.
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