Es ist niemals vorbei
meinte, die Sache ist verrückt – und toll. Wo ist er denn jetzt?»
«Das weiß ich nicht. Er ist in ein Taxi gestiegen und davongefahren.»
«Und er hat dich nicht gesehen?»
«Doch, zumindest glaube ich das. Ich habe seinen Namen gerufen und bin ihm nachgelaufen.»
«Und dann?»
«Er ist einfach weitergegangen.»
Es war, als spiegelte sich meine Enttäuschung in ihren Augen.
Er ist einfach weitergegangen.
«Dann war er es vielleicht nicht», wiegelte sie ab. «Vielleicht sah er ihm nur ähnlich.»
«Nein, das glaube ich nicht.» Doch je länger ich darüber nachdachte, desto unsicherer wurde ich.
Als wollte sie mir Halt geben, umfasste Jasmine meine Schultern. «Er hat dich gesehen. Du hast seinen Namen gerufen, und er ist trotzdem weitergelaufen.» Sie schloss mich in die Arme. «Jetzt hör mal zu, mein Schatz –»
«Er hat Mac so täuschend ähnlich gesehen», fiel ich ihr ins Wort und brach in Tränen aus.
«Hast du mal
Das Jahr magischen Denkens
gelesen?»
«Von Joan Didion?»
«Das war ein großartiges Buch, oder?»
Ich nickte und weinte.
«Noch ein Jahr nach seinem Tod hat sie ihren Mann überall gesehen. Dabei hatte er beim Abendessen, direkt vor ihren Augen, einen Herzinfarkt gehabt.»
Unter Tränen nickte ich noch einmal. Als ich zum ersten Mal Witwe wurde, hatte ich Jackson auch überall gesehen. Ebenso wie Cece. Und beide zusammen.
«Trotzdem hat sie geglaubt, sie würde ihn ständig irgendwo entdecken. Obwohl sie
wusste
, dass es ihn nicht mehr gab.»
Jasmine vermied es absichtlich, das Wort «tot» auszusprechen. Aber Joan Didions Mann war
tot
. Auch mein Mann war
tot
.
«Es tut mir leid.» Ich löste mich aus Jasmines Armen und wischte mir die Tränen ab. «Ich will dir deinen Geburtstag nicht verderben.»
Daraufhin lächelte Jasmine wie eine Mutter, die weiß, dass ihr Kind irgendetwas Halbwahres gefaselt hat, auf das sie nicht weiter eingehen will.
«Ich habe eine Idee», sagte sie. «Warum machen wir nicht kehrt und fliegen zurück nach New York? Natürlich war es ganz reizend, dass du mich überraschen wolltest, aber wenn ich es mir recht überlege, würde ich meinen Geburtstag doch lieber in New York feiern.»
«Du lügst.»
«Seit wann weißt du so genau, was in meinem Kopf vorgeht?»
«Aber wir sind doch hier.»
«Deshalb fliegen wir auch von hier aus zurück. Wo ist das Problem?» Sie lächelte wieder, aber auf mich wirkte es gezwungen.
Also wollte sie ihren Geburtstag opfern, um mir wieder sicheren Grund unter den Füßen zu verschaffen.
«Nein.»
«Karin.»
«Nein, denn wenn ich du wäre, würde ich meinen Geburtstag unter Palmen verbringen und Blue Devils trinken. Ich würde nicht in New York in einer Kneipe hocken und mir einreden wollen, ich säße am Lagerfeuer. Nicht mal mit einem tollen Typ an meiner Seite.»
«Hm.» Jasmine spitzte die Lippen und schien nachzudenken. Dann streckte sie die Handflächen aus und tat, als wolle sie die Alternativen gegeneinander abwägen. «Palmen und Blue Devil – gegen einen heißen Typen im kalten New York.» Ihre Hände gingen abwechselnd auf und ab. Zu guter Letzt gewannen die Palmen und der Cocktail. «Okay, wir bleiben. Aber es gibt kein wirres Gerede, versprochen?»
«Versprochen.»
Jasmine bestand darauf, umgehend in ihrem Hotel anzurufen und statt ihres Einzelzimmers für uns beide ein Doppelzimmer zu buchen. Ich fand, dass das bis zu unserer Ankunft warten konnte, aber erstaunlicherweise war Jasmine bei Kleinigkeiten ebenso pingelig, wie sie sonst spontan war und auf Nebensächlichkeiten pfiff.
Eine halbe Stunde später fuhren wir vor dem Marriott in Downtown Miami vor. Das Hotel war ein turmartiger Klotz, der an der Biscayne Bay hoch in die Luft ragte. Irgendwie erinnerte er mich an einen verklemmten Touristen, der sich genierte, am Strand die Kleider auszuziehen. Unser Zimmer befand sich im einundzwanzigsten Stock. Jasmine wählte das Bett nahe dem Badezimmer, ich bekam das am Fenster. Als ich die Vorhänge aufzog, konnte ich unser Glück kaum fassen, denn statt auf die Stadt hinunterzuschauen, hatten wir einen großartigen Blick über die Bucht. Hingerissen betrachtete ich die Segelboote, die über das glitzernde blaue Wasser zogen. Man konnte sich kaum vorstellen, dass in einer Stadt wie New York gerade eisige Kälte herrschte.
Als ich mich umdrehte, hatte Jasmine bereits ihren Koffer geöffnet und einen schwarzen String-Bikini angelegt. Ihre Haut war glatt und gebräunt, und in ihrem Bauchnabel
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