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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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mit dem Kleinen nach unten, um in meinem Bett einen verspäteten Mittagsschlaf zu halten.
    Ich schenkte mir eine Tasse Kaffee ein und machte mich ans Aufräumen. Plötzlich hörte ich Rosie rufen: «Lindsay, geh ans Telefon! Lindsay, geh ans Telefon!» So ging es ein ums andere Mal. Verdutzt schaute ich mich um. Rosie und ihr Anhang hatten vor einer knappen halben Stunde den Rückweg nach Long Island angetreten.
    «Hallo?», fragte ich verwirrt ins Leere.
    «Lindsay, geh ans Telefon! Lindsay, geh ans Telefon!»
    Es dauerte einen Moment, ehe ich erfasste, dass Rosies Stimme blechern klang und der Tonfall jedes Mal vollkommen identisch war. Verwundert hob ich ein Knäuel benutzter Papierservietten hoch und entdeckte Lindsays silbrig rosafarbenes Handy, auf dessen Display Rosies Bild aufleuchtete.
    «Sehr lustig», meldete ich mich. «Ihr habt mich halb zu Tode erschreckt.»
    «Das ist mein Klingelton», antwortete Lindsay. «Typisch für Mom, die mich immer anbrüllt, wenn sie will, dass ich was mache.»
    «Du hast dein Handy vergessen.»
    «Wow, Tante Karin, die Blitzmerkerin», lobte mich Lindsay mit dem Sarkasmus einer Zwölfjährigen.
    «Ich schicke es dir mit der Post.»
    Sie seufzte. «Das würde
Tage
dauern. Wir sind schon auf dem Weg zu dir.»
    «Na dann, bis gleich.»
    Ich hatte das Handy kaum in meine Hosentasche gesteckt, da klingelte es auch schon an der Tür.
    «Das gibt’s doch nicht», murmelte ich. Hatte Lindsay mich aus Scherz von draußen vor der Tür angerufen? Leise lachend öffnete ich die Tür und zog das rosafarbene Glitzerhandy hervor.
    Aber es war nicht Lindsay.
    Stattdessen stand ich einem kleinwüchsigen Mann gegenüber, der so winzig war, dass ich mich zu ihm hinunterbeugen musste. Er war Inder, vielleicht Mitte fünfzig, mit einem kurzen weißen Haarkranz. Über Anzug und Krawatte trug er eine rote Daunenjacke.
    «Sind Sie Karin Schaeffer?»
    Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich brauchte einen Moment, um sie richtig einordnen zu können.
    «Sind Sie etwa Lucky Herman?»
    «Derselbe. Und ich habe etwas für Sie.» Er überreichte mir einen Briefumschlag.
    Am Bürgersteig wartete ein Taxi mit laufendem Motor. Auf dem Rücksitz erkannte ich eine Inderin mit kurzem schwarzem Haar, rotgeschminkten Lippen und großen Perlenohrringen.
    «Hatten Sie nicht gesagt, Sie würden mich gern persönlich kennenlernen?», fragte Mr Herman. Auf seinen Lippen deutete sich ein ironisches Lächeln an, das dennoch sympathisch wirkte, ein Polizisten-Lächeln. Das Lächeln eines Menschen, der gern das letzte Wort behielt.
    «Aber Sie sind doch wohl nicht den ganzen Weg von –»
    «Nein», gluckste er. «Zu Weihnachten hat meine Frau uns zwei Karten für die Metropolitan Opera geschenkt. Das ist unser großes Wochenende.
Carmen
mit Angela Gheorghiu und Roberto Alagna. Ich bin schon ganz aus dem Häuschen.» Er warf einen Blick auf seine Uhr. «Wir hatten noch Zeit, und Ihr Haus lag auf dem Weg.»
    «Sind Sie gekommen, um mir den Rest meiner Anzahlung –» Ich brach ab, denn ich wusste, deshalb war er nicht erschienen.
    Mit klopfendem Herzen öffnete ich den Briefumschlag. Lucky Herman stand da und sah zu, wie ich das postkartengroße Hochglanzfoto hervorzog. Es zeigte einen Mann und eine Frau, die sich in einer Bar unterhielten. Die Frau saß auf einem Barhocker. Ihr Gesicht konnte man nicht sehen, nur ihren schmalen Rücken, der sich leicht zur Theke neigte, auf die sie einen Ellbogen gestützt hatte. Ihre ärmellose weiße Bluse hob sich leuchtend von ihrer karamellfarbenen Haut ab, und im Nacken sah man die dünne Schnur einer Kette. Irgendetwas an ihr kam mir bekannt vor.
    Der Mann saß mit dem Gesicht zu ihr. Er war der Grund, dass Mr Herman das Foto bei mir hatte abliefern wollen. Und ich erkannte ihn ohne jeden Zweifel.
    Denn dieser Mann war Mac.
    Der auf einem Barhocker saß. Den Blick auf die Augen der Frau gerichtet. Und der mit halbem Lächeln auf etwas reagierte, was diese eben gesagt hatte.
    Oder war er es doch nicht?
    Er sah Mac täuschend ähnlich, er war nur dünner. Das Gesicht faltiger und gebräunt.
    Je länger ich mich in das Foto vertiefte, desto unsicherer wurde ich.
    Wie versteinert stand ich da und wusste nicht, was ich glauben sollte. Ich hatte diesen Auftrag gegeben, dafür bezahlt und gehofft. Aber jetzt war ich mir nicht sicher, ob ich dieses Ergebnis wirklich wollte, dieses Bild eines Mannes,
der Mac sein konnte oder auch nicht
. Dieses Foto brachte mich nicht

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