Es ist niemals vorbei
weiter. Ich wollte Mr Herman das Foto zurückreichen, doch er weigerte sich, es anzunehmen.
«Das ist das Elend in meinem Job», sagte er. «Da besorgt man den Menschen das, was sie wollten, und dann ist es doch nicht recht.»
«Mein Mann ist tot.»
«Das wissen Sie natürlich besser als ich.»
Ich besah mir das Foto noch einmal. «Gibt es das denn, dass zwei Menschen sich so vollkommen ähnlich sehen? Zwei, die weder Zwillinge noch sonst irgendwie verwandt sind?»
«Möglich ist alles.»
«Lucky?», rief seine Frau aus dem Taxi.
«In dem Umschlag ist noch ein Scheck über den Rest der Anzahlung, denn diesen Mann habe ich durch Zufall entdeckt. Anfangs hat Peter – das ist mein Assistent – die Straßen abgeklappert, aber der Junge kostet nur halb so viel ich. Ein- oder zweimal bin ich selbst losgezogen, aber es war ja, als wollte man eine Stecknadel im Heuhaufen suchen. Ehrlich gesagt, erschien mir die ganze Sache ziemlich hoffnungslos. Und dann gehe ich in diese Bar, um einen Kunden zu treffen – und da sitzt er. Allerdings habe ich nur dieses eine Foto gemacht.»
«Wann war das?»
«Gestern. Tja, und da dachte ich, ich bringe es gleich persönlich vorbei. So können Sie mich wenigstens kennenlernen.» Wieder lächelte er.
«Lucky!» Diesmal klang seine Frau gereizt.
Mr Herman drehte sich zu ihr um und winkte ihr besänftigend zu. «Sie möchte so viel wie möglich von der Stadt sehen», erklärte er.
«Wo ist diese Bar?» Ich drehte das Foto um und fand die Antwort von Hand geschrieben auf der Rückseite. Hotel Collins, Collins Avenue, South Beach, Miami.
«Ist nicht meine Sorte Bar», bemerkte Mr Herman. «Zu trendig. Teure Getränke.»
«Ja, also dann – vielen Dank.»
«Keine Ursache. War nett, Sie kennenzulernen. Rufen Sie mich an, wenn Sie noch etwas von mir brauchen. Und machen Sie sich wegen des Fotos keine Sorgen. Es gibt nur diesen einen Abzug, und das Digitalbild habe ich gelöscht.»
«Ja gut, danke.»
«Stets zu Diensten.» Mr Herman wandte sich zum Gehen.
«Warten Sie!», rief ich, einer plötzlichen Eingebung folgend. «Haben Sie die Kette dieser Frau auch von vorn gesehen?»
«Nein, tut mir leid. Sie hat sich kein einziges Mal umgedreht.»
«Wissen Sie zufällig, ob die Kette aus Gold oder Silber war? Auf dem Foto lässt sich das nur schlecht erkennen.»
Mr Herman wandte sich um, zog eine Lesebrille hervor und begutachtete das Foto aus der Nähe. «Gold.»
Irgendetwas lief mir kalt über den Rücken. Dass Lucky Herman sich zu seiner Frau ins Taxi setzte und das Taxi davonfuhr, nahm ich nur am Rand wahr. Ich dachte an Mac, die Kette und eine andere Frau – eine schlanke Frau mit karamellfarbener Haut, deren Rücken mich stark an seine ehemalige Chefin Deidre Stein erinnerte. Dann schreckte ich hoch und erkannte Larry, der den Minibus der Familie an den Bürgersteig lenkte. Die Seitentür wurde aufschoben, und Lindsay hüpfte heraus. Ich lief die Eingangstreppe hinunter und reichte ihr das Handy, doch statt mich gleich wieder zu verabschieden, folgte ich ihr zu dem Van.
Larry ließ das Seitenfenster herunter. Ich schaute an ihm vorbei zu Rosie hinüber und reichte ihr das Foto. «Sieh dir das mal an.»
Mit konzentrierter Miene betrachtete sie das Foto. «Das ist Mac.»
«Bist du sicher?»
«Vollkommen.» Ihre Augen leuchteten auf. «Er wirkt nur ganz leicht verändert. Wann wurde das aufgenommen?»
«Gestern.»
Larry schnappte sich das Foto und studierte es. «Das ist er nicht.»
«Natürlich ist er das», entgegnete Rosie.
Die beiden kletterten aus dem Wagen und gingen mit mir ins Haus zurück. Meine Mutter hörte uns reden, stand auf und gesellte sich zu uns. Ich beichtete die ganze Geschichte, beschrieb, wie ich Mac – oder jemanden, der ihm ähnlich sah – am Flughafen von Miami entdeckt und Lucky Herman mit den Nachforschungen beauftragt hatte.
«Jasmine hat mich für verrückt gehalten. Ich mich selbst eigentlich auch. Ich wollte euch nichts erzählen, denn ihr hättet gedacht, ich sei einfach nicht imstande, seinen Tod zu akzeptieren.»
Auch meine Mutter studierte das Foto ausgiebig. Zu guter Letzt erklärte sie: «Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher.»
«Geht mir genauso», verkündete Larry. «Der Typ sieht zwar aus wie Mac, aber er ist es nicht.»
«Und ich glaube doch, dass er es ist», beharrte Rosie.
«Liebling», begann Larry eindringlich und beschwörend. «Wie kann das denn sein? Mac würde doch niemals einfach so
Weitere Kostenlose Bücher