Es ist niemals vorbei
tatsächlich sehr ähnlich.» Sie nahm das Foto in die Hand und prüfte es sorgfältig. «Ich habe Mac zuletzt bei Quest gesehen, danach nicht mehr. Dachten Sie, ich sei die Frau auf diesem Bild? Glauben Sie mir, ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht im Collins gewesen.»
Zehn Minuten später saßen wir uns am Küchentresen gegenüber, tranken den Tee, den Deidre frisch aufgebrüht hatte, und tauschten unsere Geschichten aus.
Wie ich erfuhr, hatte Deidre ihre Eigentumswohnung in Manhattan aufgegeben, ein kleines Apartment, dessen Verkauf ihr den Kauf dieses hübschen Hauses mit fünf großen Zimmern ermöglicht hatte. Der Strand war nicht weit entfernt, und ihre Eltern wohnten um die Ecke. Sie hatte einen Verlobten namens Bo, den sie seit der Highschool kannte, und gerade einen Catering-Service gegründet. Bislang begnügte sie sich mit der Lieferung von Torten und Kuchen, aber sie hatte vor, das Angebot zu erweitern. Nebenbei war sie mit den Vorbereitungen für ihre Hochzeit im September beschäftigt. Dann und wann besprach sie sich mit dem Anwalt, der sie in ihrem Fall gegen diese «absurden Anschuldigungen» von Quest vertrat.
«Mac hat nie geglaubt, dass Sie Beweise unterschlagen hätten.»
«Und
er
hat sich auch nie etwas zuschulden kommen lassen. Das sind doch alles nur irgendwelche büropolitischen Kungeleien gewesen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, all das hinter mir gelassen zu haben. Natürlich war ich gekränkt – sogar sehr –, aber jetzt bin ich so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Nach New York bringen mich keine zehn Pferde mehr.»
Ich tippte auf die Frau auf dem Foto, das zwischen uns lag. «Wie bin ich nur auf den Gedanken gekommen, das könnten Sie sein?»
«Warum denn nicht, es war ja naheliegend. An Ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlich genauso gedacht. Ich wünschte nur, ich wäre sie, denn dann könnte ich Ihnen Ihren Mann jetzt unbenutzt zurückgeben.»
Wir lachten.
«Aber mal im Ernst, Karin. Mac hätte nie eine Affäre gehabt. Und er hätte Sie und Ben niemals verlassen. Völlig ausgeschlossen. Sie beide waren sein Leben.»
Ich spürte, dass mir die Tränen in die Augen stiegen, denn tief in meinem Herzen wünschte ich so sehr, dass es die Wahrheit war. Mac hätte uns nicht verlassen. Aber sein Verschwinden ergab keinen Sinn, und ohne Leichnam war ich nicht bereit, an seinen Tod zu glauben. Immer drehte ich mich nur im Kreis, und jetzt hatte ich zu allem Überfluss auch noch dieses Foto.
Zum Lunch bereitete Deidre uns einen Salat zu, und zum Nachtisch aßen wir ein Stück von ihrem köstlichen Kuchen. Als ich mich verabschiedete, schloss Deidre mich in die Arme. Getröstet fuhr ich über die Rio Vista zur Interstate zurück. Spätestens da wurde ich wieder unruhig und fühlte mich ebenso schlau wie zuvor.
Was jetzt?
Ich gab den Mietwagen zurück. An der Collins Avenue kaufte ich einen Eiskaffee zum Mitnehmen, wanderte zurück zum Hotel und versuchte, meine Eindrücke zu sortieren. Sonne. Palmen. Sommerzeit im Winter. Ferienparadies. Ich mittendrin. War ich das wirklich? Solange ich nicht wusste, ob Mac lebte oder tot war, ob er uns herzlos im Stich gelassen oder bis zum Ende geliebt hatte, schaffte ich es nicht, voll und ganz
irgendwo
zu sein, denn ein Hier und Jetzt gab es für mich nicht mehr. Mir fehlte der Schwerpunkt. Ich trieb ziellos durch Florida, eine einsame Gestalt, die gegen Windmühlen kämpfte.
Vielleicht litt ich tatsächlich an Hirngespinsten und bildete mir Dinge ein, die es nicht gab. Wieder in meinem Zimmer, zog ich das Foto hervor und betrachtete es erneut. Inzwischen hatte ich es so oft und lange studiert, dass das Gesicht dieses Mannes, der Mac sein konnte oder auch nicht, vor meinen Augen verschwamm und ich kaum noch wusste, wie Mac tatsächlich ausgesehen hatte. Ich erinnerte mich, dass auch Jacksons Gesicht im Lauf eines Jahres verblasst war. Mac hatte ich vor etwa vier Monaten zum letzten Mal gesehen. Vielleicht würde ich das Gesicht eines dritten Ehemanns schon vergessen haben, sobald er morgens aus der Tür war! Okay, diese Grübeleien konnte ich mir wirklich sparen. Ich würde
nie
mehr heiraten.
Das Foto trug ich während des Nachmittags in der Handtasche mit mir herum, aber ich holte es nicht heraus. Raoul stand an seinem Pult am Eingang des Palm Restaurant, und Tara versah ihren Dienst am Empfang. Wenn ich die Eingangshalle durchquerte, spürte ich ihre Blicke. Wahrscheinlich hielten sie mich für eine arme
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