Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Augen, den Thomas sich nicht erklären konnte.
    »Wirklich, chérie.«
    Plötzlich warf sich Hélène herum, so daß er ihren wunderschönen, goldbraun getönten Rücken sah. Mit erschreckender Wildheit schluchzte sie in die Kissen: »Ich habe dich angelogen! Ich bin schlecht – ach, ich bin ja so schlecht!«
    Er ließ sie eine Weile schluchzen, dann sagte er dezent: »Wenn es dein Verlobter ist …«
    Sie warf sich wieder auf den Rücken und rief: »Quatsch, Verlobter! Ich habe doch überhaupt keinen Verlobten! Oh, Thomas, Thomas!«
    Er fühlte, wie eine Hand aus Eis seinen Rücken entlangstrich. »Was hast du eben gesagt?«
    »Ich habe überhaupt keinen Verlobten.«
    »Nein, das meine ich nicht.« Er würgte ein bißchen. »Hast du eben Thomas gesagt?«
    »Ja«, schluchzte sie, und jetzt kullerten dicke Tränen über ihre Wangen zum Hals hinab und auf die Brust. »Ja, natürlich habe ich Thomas gesagt. So heißt du doch, mein geliebter, armer Thomas Lieven … Ach, warum nur mußte ich dich treffen? In meinem ganzen Leben war ich nicht so verliebt …« Neuerliches Aufbäumen, neuer Tränenstrom. »Und gerade dir muß ich das antun, gerade dir!«
    »Antun? Was antun?«
    »Ich arbeite für den amerikanischen Geheimdienst«, jammerte Hélène verzweifelt.
    Thomas merkte nicht, daß die Glut seiner Zigarette immer näher auf seine Fingerspitzen zukroch. Er schwieg lange.
    Endlich seufzte er tief auf: »O Gott, fängt das denn schon wieder an?«
    Tragisch stieß Hélène hervor: »Ich wollte es dir nicht sagen … Ich dürfte es dir nicht sagen … Die jagen mich davon – aber ich mußte dir die Wahrheit gestehen nach diesem Abend … Ich wäre sonst erstickt …«
    »Mal langsam und von vorn«, sagte Thomas, der allmählich seine Fassung wiedergewann. »Du bist also eine amerikanische Agentin.«
    »Ja.«
    »Und dein Onkel?«
    »Ist mein Vorgesetzter, Colonel Herrick.«
    »Und das Château Montenac?«
    »Gemietet. Unsere Leute in Deutschland meldeten, du würdest einen großen Coup planen. Dann kamst du nach Zürich. Als dein Inserat erschien, bekamen wir Vollmacht, dir eine Beteiligung bis zu hunderttausend Franken anzubieten …«
    »Warum denn das?«
    »Da war doch irgendein Trick bei deiner Annonce. Wir kannten ihn nicht. Aber wir hätten ihn herausbekommen. Und dann hätten wir dich in der Hand gehabt. Das FBI will dich doch unter allen Umständen anheuern. Sie sind ganz verrückt nach dir!«
    Sie weinte jetzt wieder. Thomas trocknete ihr die Tränen.
    »Dann hast du 750 000 verlangt. Da haben wir ein Blitzgespräch mit Washington angemeldet! Was glaubst du, was die uns erzählt haben! 750 000! Ein Irrsinn! haben die gesagt. Das wollten sie nicht riskieren! Und da setzten sie dann mich an …«
    »Dich an«, wiederholte er idiotisch.
    »… und so unternahm ich diese Reise. Es war alles nur Theater. Der Mechaniker in Grenoble …«
    »O Gott, der auch. Und ich Trottel habe ihm noch ein Trinkgeld gegeben!«
    »… der Verlobte, alles. Tommy. Und nun – und nun habe ich mich in dich verliebt, und ich weiß, wenn du nicht für uns arbeitest, dann lassen sie dich hochgehen!«
    Thomas stand auf.
    »Bleib bei mir!«
    »Ich komme wieder, Liebling«, sagte er abwesend. »Ich muß mir nur einiges überlegen – in aller Ruhe, wenn du gestattest. Denn das alles, weißt du, ist mir schon einmal passiert …«
    Er verließ die Schluchzende und ging durch den Salon in sein Schlafzimmer hinüber. Hier setzte er sich ans Fenster, sah lange in die Nacht hinaus.
    Dann griff er nach dem Telefonhörer, wartete, bis sich die Zentrale meldete, und sagte: »Geben Sie mir den Küchenchef … Das ist egal, wecken Sie ihn …«
    Nach fünf Minuten klingelte sein Telefon. Thomas nahm ab: »Gaston? Hier spricht Ott. Ich habe gerade einen argen Schicksalsschlag erlitten. Ich brauche etwas Leichtes, Anregendes. Machen Sie mir einen Tomatencocktail und ein paar Sardinencroquetten … Danke.«
    Er legte den Hörer auf.
    Es gibt also kein Entrinnen, dachte er. 1957 haben sie mich am Wickel, wie sie mich 1939 am Wickel hatten!
    Durch die offene Balkontür sah Thomas Lieven hinaus auf die verlassene Corniche d’Or und empor zu den unnahbaren, unbeteiligten Sternen, die über dem Mittelmeer glänzten. Aus der samtigen Dunkelheit schienen sie plötzlich aufzutauchen, die Männer und Frauen seiner Vergangenheit, näher zu kommen, herabzusteigen: faszinierende Schönheiten, eiskalte Agentinnen, mächtige Konzernfürsten,

Weitere Kostenlose Bücher