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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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antwortete, am Square du Bois de Boulogne residiere tatsächlich ein Vicomte René de Toussant, sehr vermögend, Verbindungen zu den Nazis und zu der Vichy-Regierung, zur Zeit abwesend von Paris, wahrscheinlich in Südfrankreich, da ließ die Polizei Paul de la Rue mit vielen Entschuldigungen frei.
    Völlig gebrochen, kalkweiß im Gesicht, stammelte auch der Juwelier Marius Pissoladière sein Bedauern hervor.
    Der unauffällige Uhrenarmbandkäufer, von dem Pissoladière nur eine sehr schlechte Beschreibung geben konnte, war und blieb verschwunden …
    All dies hatte Thomas Lieven vorausgesehen, als er Paul de la Rue seiner Erscheinung wegen aussuchte und einen Paß auf den Namen des Vicomtes fälschen ließ.
    Mitgeholfen allerdings hatte der »Perpignan-Bote« vom 2. Januar 1941. Denn unter der Rubrik AUS DEN LANDKREISEN hatte Thomas ein Bild des nazifreundlichen Aristokraten und diesen Bericht gefunden:
    »Vicomte René de Toussant, Industrieller aus Paris, ist zur Kur in dem malerischen Städtchen Font Romeu an der Pyrenäengrenze eingetroffen …«
    Die Sache mit dem Regenschirm war in Marseille natürlich nicht mehr zu wiederholen. So etwas spricht sich ja schließlich herum. Dafür wurde es in Bordeaux, Toulouse, Montpellier, Avignon und Béziers lebendig. In diesen Städten machten in der nächsten Zeit Juweliere und Antiquitätenhändler trübe und verlustreiche Erfahrungen mit beschirmten Herren. Aber merkwürdigerweise stets nur solche, die einen ähnlich trüben und schäbigen Charakter wie Marius Pissoladière aufwiesen.
    Dies, wir sagten es schon, war das gemeinsame Symptom aller Anschläge: Die Geschädigten taten keinem Menschen leid. Im Gegenteil! Im Süden des Landes begann man zu flüstern, daß hier eine ganz eigenwillige Art von Untergrundbewegung am Werk sei, angeführt von einer Art Robin Hood.
    Durch eine Verkettung von Umständen geriet die Polizei auf eine falsche Spur, woran Thomas Lieven nicht ganz schuldlos war. Die Polizei glaubte, die Urheber der frechen Juwelendiebstähle wären in den Reihen der »Glatzenbande« zu suchen.
    Eine der alteingesessenen Organisationen von Marseille wurde von einem gewissen Dantes Villeforte angeführt, einem Korsen, der aus naheliegenden Gründen den Spitznamen »Die Glatze« erhalten hatte.
    Dann passierte die Sache mit den Flüchtlingstransporten nach Portugal. Auch Villeforte und seine Leute waren da ins Geschäft eingestiegen. Aber nun aktivierte Chantal ihr »Transportunternehmen« plötzlich enorm. Doch was sie machte, widersprach allen Regeln der Zunft. Sie verfuhr nach der völlig zu Unrecht veralteten Devise: Kleine Preise – großer Umsatz – guter Gewinn. Beziehungsweise sogar: Fliehen Sie gleich – bezahlen Sie später.
    Man kann verstehen, daß »Die Glatze« nicht eben besserer Laune wurde, als Chantal ihm völlig das Geschäft verdarb. Denn zu ihr strömten nun die Kunden, zur »Glatze« kam kaum einer mehr.
    Dann hörte »Die Glatze« plötzlich, daß all diese Neuerungen dem Weitblick und der Intelligenz von Chantals Geliebtem zuzuschreiben seien. Diesem Mann vertraute Chantal vollkommen. Dieser Mann war angeblich das Gehirn der Bande – ein vorzügliches Gehirn, wie es schien.
    »Die Glatze« beschloß, sich um diesen Mann von nun an ein wenig zu kümmern.
    15
    Thomas Lieven residierte weiter im »Alten Viertel« von Marseille bis zu einem unheilvollen Gewitterabend im September des Jahres 1942. Er lebte bei Chantal Tessier. Die seltsame Haßliebe dieser beiden Menschen wurde immer leidenschaftlicher, immer intensiver.
    Stürmisch um den Hals beispielsweise fiel die schöne Bestie ihrem kochgewandten Freund nach einem gelungenen Coup – dasselbe Hotel zweimal an deutsche Aufkäufer verkauft – im Februar 1941. Jedoch nur, um im nächsten Atemzug zu versichern: »Du widerst mich an mit deinem überlegenen Lächeln! Diese Überheblichkeit! Glaubst du, du hast alles allein gemacht, was? Wir sind bloß kleine, idiotische Kröten! Ich will dir mal was sagen: Dein Grinsen reicht mir jetzt! Ich will dich nie mehr sehen, nie mehr, hau ab!«
    Also zog Thomas gottergeben zu seinem Freund Bastian. Kaum war er zwei Stunden in dessen Wohnung, da rief Chantal an. »Ich habe hier Blausäure, Veronal und einen Revolver. Wenn du nicht sofort zu mir kommst, bin ich morgen früh eine Leiche.«
    »Aber du hast doch gesagt, du willst mich nie mehr sehen!«
    »Du Hund – du verfluchter Hund, ich krieg’ keine Luft mehr, wenn du nicht da

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