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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Anweisungen von Oberst Werthe für das, was Sie dann tun müssen. Leben Sie wohl.«
    »Auf Wiedersehen …«
    »Ja«, sagte Thomas und klopfte auf Holz, »das hoffe ich.«
    Ein Citroën, erbeutet zwar, aber ohne deutsche Kennzeichen, holperte über den menschenleeren Platz Blaise Pascal. Thomas saß neben dem verschlafenen, schweigsamen Fahrer. Er trug einen Trenchcoat über seinem grauen Flanellanzug und einen weißen Hut.
    Sein Ziel an diesem frühen Morgen: Professor Débouché, geistiger Führer der Résistance in Mittelfrankreich. Er lebte in einer Dienstwohnung der ausgedehnten »Cité Universitaire«. Vor dem Hauptportal in der Avenue Carnot stieg Thomas aus. Er sagte: »Fahren Sie um die Ecke, und warten Sie auf mich.«
    Dann ging er auf das Tor der Universität zu. Lieber Gott, hilf mir jetzt, dachte er. Hilf uns jetzt allen …
    Es dauerte eine Ewigkeit, und Thomas mußte immer wieder läuten, bis endlich der alte Pedell fluchend auftauchte, in Pantoffeln und Nachthemd, einen Mantel übergeworfen. »Nom de Dieu, sind Sie wahnsinnig geworden? Was wollen Sie?«
    »Professor Débouché sprechen.«
    »Jetzt? Hören Sie mal …« Der Pedell brach ab. Eine Fünftausendfrancnote hatte den Besitzer gewechselt. »Na ja, es wird wohl dringend sein. Wen darf ich dem Herrn Professor melden?«
    »Haben Sie Telefon in der Wohnung?«
    »Ja, Monsieur …«
    »Ich spreche selbst mit ihm.«
     
    In der vollgeräumten Souterrainwohnung des Pedells trat Thomas Schweiß auf die Stirn, während er, Hörer am Ohr, vernahm, wie bei Professor Débouché das Telefon schrillte.
    Die Frau des Pedells war aufgestanden, sie drückte sich neben ihren Mann und flüsterte mit ihm, und beide betrachteten Thomas erschrocken. Dann hörte Thomas eine Stimme, die er kannte: »Débouché. Was ist los?«
    Krächzend sagte Thomas: »Everett.«
    Er hörte den Professor Atem holen. »Everett? Wo – wo sind Sie?«
    »In der Universität. In der Wohnung des Pedells.«
    »Er soll Sie zu mir führen – augenblicklich … Ich – ich erwarte Sie …«
    Thomas hängte ein. Der Pedell sagte: »Kommen Sie, Monsieur.« Im Hinausgehen nickte er seiner Frau zu, das sah Thomas noch. Er sah nicht mehr, daß die verblühte, ergraute Frau daraufhin zum Telefon trat und den Hörer abnahm …
    6
    »Was, um Himmels willen, hat Sie zu der Wahnsinnstat veranlaßt hierherzukommen, Captain Everett?« Der berühmte Physiker, der aussah wie Albert Einstein, stand Thomas in der Bibliothek seiner Wohnung vor einer riesigen Bücherwand gegenüber.
    »Herr Professor, das ›Maquis Crozant‹ hat die Brücke bei Gargilesse gesprengt.«
    »Weisungsgemäß, ja.«
    »Haben Sie Ihre Leute seither gesehen?«
    »Nein. Ich bin mit meiner Assistentin schon seit einer Woche hier. Ich hatte Vorlesungen zu halten.«
    »Sie wissen aber, daß an Stelle von Leutnant Bellecourt der Bürgermeister Cassier und der Töpfer Rouff die Sprengung geleitet haben?«
    »Gute Leute, brave Leute.«
    »Schlechte Leute, dumme Leute«, sagte Thomas erbittert. »Eitle Leute, Herr Professor! Verantwortungslose Leute!«
    »Mon capitaine, also hören Sie …«
    »Wissen Sie, was diese gottverdammten Narren gestern abend getan haben? Sie setzten sich ans Funkgerät und gaben Namen und Adressen der Mitglieder des ›Maquis Crozant‹ durch! Cassier! Rouff! Professor Débouché! Yvonne Dechamps! Leutnant Bellecourt. Über dreißig Namen und Adressen …«
    »Aber warum denn, um Himmels willen?« Der alte Mann war bleich geworden.
    »Um sich anzupreisen. Damit General de Gaulle auch bestimmt weiß, wer die tapfersten Helden waren, die die größten Orden verdienen … Dummköpfe haben Sie da oben in den Bergen sitzen, Herr Professor!«
    Der alte Mann sah Thomas lange an. Dann sagte er: »Gewiß, es war falsch, die Namen durchzugeben. Aber war es ein Verbrechen? Ist London dadurch in Gefahr gebracht worden? Doch wohl kaum … Das also kann nicht der Grund sein, weswegen Sie herkommen und Ihr Leben riskieren …« Nah, ganz nah trat Professor Débouché an Thomas heran. Groß und forschend waren die Augen des Gelehrten, als er heiser flüsterte: »Wofür riskieren Sie Ihr Leben, Captain Everett?«
    Thomas holte tief Atem. Und wenn er mich umlegt, dachte er. Und wenn ich diesen Tag nicht überlebe. Dann bin ich wenigstens bei dem Versuch gestorben, in dieser schmutzigen Zeit ein anständiger Mensch zu bleiben. Er fühlte sich plötzlich ganz ruhig, wie damals, als er den Entschluß gefaßt hatte, sich

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