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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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daß die größten Schufte von einst sich bereits wieder, selbst in den Lagern, ihre Pöstchen zugeschoben hatten: in der Küche, im Krankenrevier, in der Schreibstube. Viele von ihnen waren zu »Vertrauensleuten« und »Lagersprechern« avanciert. Sie terrorisierten die andern. Sie waren schon wieder obenauf.
    »Einen feinen Instinkt habt ihr«, sagte Thomas zu den Amerikanern. »Ihr fallt also auch auf blonde Haare, blaue Augen und Strammstehen herein! Von jetzt an wollen wir mal vor allem die Herren mit den Pöstchen unter die Lupe nehmen …«
    Das geschah.
    Als Thomas am 3. Januar 1947 nach Moosburg kam, besaß er bereits das volle Vertrauen der beiden CIC -Agenten, die ihn begleiteten. Sie führten ihn in das schwer bewachte Archiv des Lagers und ließen ihn vor Kästen mit 11 000 Vernehmungsprotokollen allein. 11 000 Mann saßen damals in Moosburg!
    Thomas fand auch unter ihnen drei SD -Leute, an die er böse, ganz böse Erinnerungen hatte. Er fand natürlich auch die Protokolle über den Major Brenner und den Oberst Werthe.
    Am Abend des 6. Januar verließ Thomas Lieven das Camp mit den Dossiers von Werthe und Brenner unter seinem Hemd. Er wohnte in einem kleinen Bauerngasthof. Hier arbeitete er lange in dieser Nacht.
    So wie er es bei dem genialen Reynaldo Pereira in Lissabon gelernt hatte, fälschte er die Dossiers von Brenner und Werthe. Zuerst stellte er einen neuen Gummistempel her. Mit Schusterahle und Federmesser bördelte er sodann vorsichtig die Ösen auf, welche die Fotos hielten, und entfernte die Bilder von der Unterlage, indem er den Klebstoff auflöste und vorsichtig wegpinselte. Dann tippte er auf einer mitgebrachten Maschine neue Dossiers. Als der Morgen graute, prangten die Fotos seiner Freunde auf den
neuen
Dossiers. Wie anders sahen diese jetzt aber aus! Werthe und Brenner waren nicht länger böse SD -Leute, sondern harmlose, unbelastete Offiziere der deutschen Militärverwaltung in Frankreich. Es bestand kein Grund, sie weiter in Haft zu halten, wenn ihre Kategorie freigelassen wurde.
    Am Morgen des 7. Januar brachten die beiden CIC -Agenten Thomas wieder ins Camp. Diesmal trug er die neuen Dossiers unter dem Hemd. Die alten hatte er im Kachelofen seines Gastzimmers verbrannt. Ohne Schwierigkeit gelang es ihm im Laufe des Tages, die gefälschten Bogen wieder an den richtigen Platz in den richtigen Kasten zu bringen. Seine Arbeit war damit beendet.
    Noch vor Ende Januar 1947 wurden Brenner und Werthe entlassen. Seltsames Spiel des Schicksals: Zu dem Zeitpunkt, da Brenner und Werthe »raus«kamen, saß Thomas Lieven schon wieder einmal »drin« …
    Und das kam so:
    Nachdem sie das Lager Moosburg absolviert hatten, fuhren die CIC -Agenten mit Thomas noch zu den Lagern in Dachau, Darmstadt und Hohenasperg. Hier saß die Nazi-Diplomatie. Noch einmal gelang es Thomas, ein paar alte SD -Verbrecher zu entdecken. Die CIC -Agenten sprachen ihm ihre Anerkennung aus. Am 23. Januar kehrten sie nach München zurück. Spätabends kamen sie an. Thomas war müde. Sie brachten ihn nach Grünwald hinaus, zu seiner Villa. Als er das Gartentor aufsperrte, fuhren sie winkend fort.
    Dunkel, ohne ein erleuchtetes Fenster, lag das Haus da. Bastian treibt sich wieder herum, dachte Thomas. Kein Mensch daheim. Das war ein Irrtum, den er bemerkte, als er die Halle der Villa betrat. Etwas glitt in der Dunkelheit an ihm vorbei. Plötzlich flammte Licht auf.
    Ein amerikanischer Militärpolizist stand vor ihm, einer hinter ihm. Sie hielten beide schwere Pistolen in den Händen. Ein Zivilist kam aus der Bibliothek, auch er hielt eine Pistole in der Hand.
    »Die Pfoten hoch, Lieven!« sagte er.
    »Wer sind Sie?«
    » CID «, sagte der Zivilist. Der CID , das »Criminal Investigation Department«, war die Kriminalpolizei der Armee; der CIC , das »Counter Intelligence Corps«, interessierte sich nur für politische Verbrechen und Spionage.
    Der Zivilist sagte: »Sie sind verhaftet! Wir warten hier seit fünf Tagen auf Sie!«
    »Wissen Sie, ich war gerade ein paar Wochen für Ihr Konkurrenzunternehmen unterwegs.«
    »Schnauze! Mitkommen!«
    »Moment mal«, sagte Thomas. »Ich warne Sie! Ich habe viele Freunde beim CIC ! Ich habe diesen Leuten gerade einen großen Dienst erwiesen. Ich verlange sofort eine Erklärung. Warum verhaften Sie mich?«
    »Kennen Sie einen gewissen Bastian Fabre?«
    »Ja.«
    »Und eine gewisse Christine Troll?«
    »Ach, ja!« O Gott, dieses Vorgefühl, dieses ungute Vorgefühl …
    »Na also.

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