Es muß nicht immer Kaviar sein
Flamme, füge unter ständigem Schlagen 125 Gramm Butter dazu, schlage, bis die Sauce dick wird, ohne zu kochen, würze mit Salz und Zitrone. – Im letzten Moment vor dem Anrichten rühre man 50 Gramm Kaviar in die heiße Sauce.
Filet Wellington:
Man nehme ein Mittelstück vom Rinderfilet, brate es leicht an, lege es abgekühlt auf Blätterteig über in Butter gedämpfte, gehackte Schalotten. Champignons, Petersilie und Estragon. – Man belege die Oberseite mit in Madeira gedünsteten Gänseleber- und Trüffelscheiben, klappe den Teig über, klebe ihn mit Eigelb gut zusammen und backe ihn im Ofen zu schöner brauner Farbe. – Man bereite aus dem Fond vom Anbraten und Dünsten eine Sauce, die man kräftig mit Madeira abschmeckt.
Salzburger Nockerln:
Man schlage sechs Eiweiß in einer großen Schüssel zu festem Schnee, rühre dann sechs Eigelb, je zwei Eßlöffel Mehl und Zucker, 60 Gramm zerlassene Butter und eine viertel Tasse warme, vanillegesüßte Milch darunter. – Man lasse weitere 60 Gramm Butter in einer tiefen Eisenpfanne heiß werden, gebe die Masse hinein, lasse sie zugedeckt so lange backen, bis sie unten Farbe bekommt. Man stecke mit der Schmarrenschaufel große Nockerln ab, wende sie und lasse sie wieder zugedeckt backen, bis sie sich unten bräunen, gieße eine viertel Tasse der Vanillemilch daran und lasse die zugedeckte Pfanne kurze Zeit heiß stehen, damit die Milch einzieht und die Nockerln locker werden. – Man muß sie, mit Zucker überstreut, sofort servieren, damit sie nicht zusammenfallen.
Also brachte ich drei Orchideen mit, und Pamela war so hinreißend schön wie noch nie, und Roger war so charmant wie noch nie, und das Essen, das er selbst gekocht hatte, war so gut wie noch nie. Als Vorspeise gab es gekochten Steinbutt, umlegt mit gebackenen Austern und übergossen mit einer feinen Holländischen Sauce, in welche Kaviar gerührt war.
»So etwas habe ich noch nie gegessen«, gab ich zu. »Das muß ich mir aufschreiben für meine Frau …«
»Es gäbe noch viel mehr aufzuschreiben als meine Rezepte«, sagte der Hausherr träumerisch.
Ich sah ihn an. Ich sah seine schöne Frau an. Beide lächelten. Voll Wohlwollen, voll Sympathie.
Roger Thompson sprach: »Mein Lieber, ich habe unbegrenztes Vertrauen zum Urteil Pamelas. Pamela fand Sie vom ersten Moment an vertrauenswürdig. Ich bin ein Mann, der sehr vorsichtig sein muß …«
»Vorsichtig? Wieso?«
»Tja, wieso!« Thompson stocherte in seinem Fisch. Dann lächelte er. »Mario, ich habe nicht immer ein Feinschmeckerrestaurant gehabt. Ich habe nicht immer Roger Thompson geheißen. Ich habe ein sehr wildes Leben hinter mir. Noch ein wenig Kaviar?«
»Laß doch den Quatsch«, sagte Pamela. Sie sah mich an. »Mein Mann hat wirklich viel erlebt. Komische Dinge. Traurige Dinge. Aufregende Dinge. Ich habe immer gesagt: Jemand müßte einmal alles aufschreiben! Viele Leute sollten wissen, was ihm passiert ist. Es könnte so nützlich sein!«
»Nützlich?«
»Mein Mann ist ein überzeugter Pazifist.«
»Die Frage ist nur«, sagte der Mann, der sich Roger Thompson nannte, »können Sie mir versprechen, daß niemand meinen wahren Namen und meine wahre Adresse erfährt, wenn ich Ihnen meine Geschichte erzähle?«
»Ja«, sagte ich. »Das kann ich versprechen.«
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28 okt 1958 stop 2348 uhr stop an schweizer druck- und verlagshaus zürich stop habe rückflug abgesagt stop bin neuer story auf der spur stop luftposteilbrief mit details unterwegs stop bitte um schnellste stellungnahme und sofortige überweisung von us-dollar 1000 stop herzlichst simmel
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1 nov 1958 0945 uhr stop schweizer druck- und verlagshaus beauftragt sie nach lektüre ihres informationsbriefes optionsvertrag auf erwerb der urheberrechte abzuschließen und entsprechende tonbandrecherchen durchzuführen stop bleiben sie solange erforderlich stop us-dollar 1000 angewiesen stop meyer schweizer druck- und verlagshaus
Ich blieb in Amerika bis zum 2. Januar 1959. Als ich abflog, hatte ich in meinem Gepäck sechzehn beiderseits besprochene Tonbänder. Als ich abflog, trug ich die Geschichte eines exemplarischen Lebens mit mir zurück nach Europa: Die Abenteuer und Rezepte des Geheimagenten Thomas Lieven.
Man wird nun verstehen und entschuldigen, wenn ich sage, daß der Mann, der mir sein Leben erzählte, natürlich weder Roger Thompson noch Thomas Lieven hieß. Man wird verstehen, wenn ich den Namen der Stadt verschweige, in welcher er heute mit seiner
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