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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Bureau‹!«
    5
    Ach, verdammt noch mal, dachte Thomas Lieven, komme ich denn niemals mehr aus diesem Teufelskreis heraus? Adieu, süßer Abend zu zweit!
    »Major Débras ist mein Freund«, gab Josephine bekannt.
    »Ein glücklicher Mensch«, sagte Thomas verstimmt. Er sah den Major an: »In Toulouse wartet Oberst Siméon seit Wochen auf Sie!«
    »Ich bin erst gestern hier angekommen. Ich habe eine schwierige Flucht hinter mir, Monsieur Lieven.«
    Josephine sagte: »Maurice kann sich in Toulouse nicht sehen lassen. Sein Gesicht ist zu bekannt. In der Stadt wimmelt es von deutschen Agenten und von französischen Spitzeln.«
    »Madame«, sagte Thomas, »Sie überschütten mich mit frohen Nachrichten.«
    Bewegt sprach der Major: »Ich weiß, was Sie damit sagen wollen, Monsieur Lieven. Wenige haben sich für die Sache Frankreichs in größere Gefahr begeben als Sie. Wenn ich nach London komme, werde ich General de Gaulle zu berichten wissen, mit welcher Tollkühnheit Sie vor einem deutschen General die schwarze Tasche verteidigt haben!«
    Die schwarze Tasche …
    Seit Tagen konnte Thomas Lieven ihretwegen nicht mehr ordentlich schlafen!
    »Die Tasche liegt in Toulouse bei Oberst Siméon.«
    »Nein«, sagte Débras freundlich, »die Tasche liegt unter dem Werkzeug im Kofferraum Ihres Wagens.«
    »Meines –«
    »Ihres kleinen Peugeots, der beim Parktor steht. Kommen Sie, Herr Lieven, lassen Sie uns vor dem Essen noch schnell hingehen und sie holen …«
    Sie haben mich hereingelegt, dachte Thomas Lieven wütend. Siméon und Mimi und Jeanne haben mich hereingelegt. Was mache ich jetzt? Es ist wahr, ich wollte nicht, daß der deutsche Geheimdienst die Tasche bekommt. Aber ich will auch nicht, daß der französische sie bekommt. Es würde doch nur Blut fließen, französisches oder deutsches … Ich will überhaupt nicht, daß Blut fließt … Ich war ein friedlicher Mensch. Ihr habt mich zum Geheimagenten gemacht. Hättet ihr mich in Ruhe gelassen … Nun seht zu, was ihr davon habt!
    Diesen Gedankengängen hing Thomas Lieven nach, während er, zur Linken von Josephine Baker und gegenüber dem Major Débras, bei Tisch saß und lustlos in den delikaten Wurstnestern herumstocherte, die er selber zubereitet hatte.
    Die schwarze Tasche lag nun auf einer antiken Anrichte beim Fenster. Sie hatte sich tatsächlich im Kofferraum seines Wagens befunden.
    Mit Appetit essend, erklärte Débras, wie sie dorthin gekommen war: »Ich telefonierte gestern mit Siméon, Monsieur Lieven. Ich sagte ihm: ›Wie erhalte ich die schwarze Tasche?‹ Er sagte: ›Sie können nicht nach Toulouse kommen, man wird Sie erkennen. Aber dieser phantastische Lieven, dieser ganz außerordentliche Mensch, fährt seit Wochen kreuz und quer durch die Gegend und kauft Lebensmittel ein. Niemand wird sich wundern, ihn zu sehen. Er kann die Tasche überbringen.‹« Débras schnupperte: »Großartig, diese Füllung, was ist das?«
    »Gedünstete Zwiebeln, Tomaten und Kräuter. Wozu die Heimlichtuerei, Major? Siméon hätte mich informieren müssen.«
    »Ich habe es so angeordnet. Ich kannte Sie doch nicht …«
    »Bitte noch ein paar Nester, Monsieur Lieven!« Josephine schenkte Thomas ein strahlendes Lächeln. »Es war schon besser so. Sie sehen, die Tasche hat ihr Ziel wohlbehalten erreicht.«
    »Ja, das sehe ich«, sagte Thomas. Er sah sie an, die blödsinnige Tasche mit den blödsinnigen Listen, die Hunderten noch das Leben kosten konnte. Da stand sie. Den Deutschen mühsam entrissen. Bei den Franzosen gelandet.
    Schade, dachte Thomas. Ohne Politik, ohne Geheimdienste, Gewalt und Tod hätte das ein so hübscher Abend werden können!
    Eine Strophe aus der »Dreigroschenoper« fiel ihm ein:
    Denn leider sind auf diesem Sterne eben
    die Mittel kärglich und die Menschen roh.
    Wer möchte nicht in Fried und Eintracht leben?
    Doch die Verhältnisse, die sind nicht so …
    Nein, dachte Thomas, die Verhältnisse, sie waren nicht so. Und darum dachte er von nun an zu jedem Satz, den er sprach, Gedanken, die mit den Sätzen nicht das geringste zu tun hatten …
    Thomas Lieven sagte: »Nun serviere ich eine Spezialität, die ich Madame zu Ehren Eier ›Josephine‹ genannt habe.« Und er dachte: Die Tasche darf nicht bei Débras bleiben. Er ist mir sympathisch. Josephine ist mir sympathisch. Ich will ihnen nicht schaden. Aber ich kann, ich darf, ich mag ihnen auch nicht nützen!
    Der Major zeigte sich von Thomas Lievens Eiern entzückt: »Delikat, Monsieur;

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