Es muß nicht immer Kaviar sein
12 Uhr mittag gesetzt, mir mein Eigentum wiederzugeben. Er hat dies nicht getan.«
Der Ausländer Jean Leblanc, zur Sache vernommen: »Ich habe das Armband nicht gestohlen, sondern nur im Auftrag der Senhora Rodrigues an mich genommen, um es zu verkaufen. Ich habe es ihr längst zurückgegeben, weil ich keinen Käufer fand.«
FRAGE : »Die Senhora Rodrigues sagt, daß es sich nicht mehr in ihrem Besitz befindet. Können Sie es herbeiholen, oder kennen Sie den Verwahrungsort des Armbands?«
ANTWORT : »Nein, denn die Senhora Rodrigues hat es versteckt, um mir zu schaden. Sie will, daß ich verhaftet werde.«
FRAGE : »Warum?«
ANTWORT : »Eifersucht.«
BEMERKUNG : Der Ausländer Leblanc macht bei der Vernehmung einen undurchsichtigen, unverschämten und arroganten Eindruck. Gelegentlich ergeht er sich in drohenden Andeutungen. Er beleidigt die Klägerin in ihrer weiblichen Würde und beschimpft den vernehmenden Kommissar in unflätiger Weise. Zuletzt spielt er den Irren, lacht, redet Unsinn und singt französische Spottlieder.
Sergeanten Alcantara und Branco erklären: »Bei der Festnahme hat der Ausländer Widerstand geleistet. Es mußten ihm Handschellen angelegt werden. Bei seinem Abtransport stellten wir fest, daß sich auf der Straße vor der Villa mehrere verdächtige Subjekte herumtrieben, die jede unserer Aktionen genau verfolgten.«
BEMERKUNG : Es ist anzunehmen, daß der Ausländer Leblanc in Beziehungen zur Unterwelt von Lissabon steht. Er wird festgenommen und über Nacht im Reviergefängnis eingesetzt. Morgen früh wird er mit dem Gefangenentransportwagen auf das Polizeipräsidium überführt und dem Dezernat Diebstahl zur Verfügung gestellt werden.
2
Es war beinahe sechs Uhr abends, als die schöne, wenn schon nicht sonderlich intelligente Konsulin und Deutschenhasserin Estrella Rodrigues, gleichermaßen erschöpft und erregt, in die Rua Marques da Fronteira zurückkehrte. Sie benutzte ein Taxi.
Heftig atmend, mit fiebrig glänzenden Augen und hektisch geröteten Wangen saß sie im Fond. Es hat funktioniert, wie Jean es wünschte und voraussah. Aber, mein Gott, in was für Situationen bringt mich dieser wilde, wunderbare, rätselhafte Mensch …
Sie haben ihn eingesperrt. Im Gefängnis ist er in Sicherheit vor seinen Verfolgern. Doch warum
wird
er verfolgt? Er hat es mir nicht gesagt, er hat mich geküßt und gebeten, Vertrauen zu ihm zu haben.
Ach, was bleibt mir noch anderes übrig? Ich liebe ihn doch so! Er ist ein tapferer Franzose. Weiß Gott, in welcher geheimen Mission er sich hier aufhält! Ja, vertrauen will ich ihm und alles tun, was er mir aufgetragen hat: das goldene Armband in dem Versteck im Keller lassen; jeden Tag zum Hafen fahren und versuchen, eine Schiffspassage für ihn zu buchen; und mit niemandem über ihn sprechen. Wenn es mir gelingt, eine Passage nach Südamerika zu buchen, dann will ich zum Untersuchungsrichter eilen, das Armband vorweisen, erklären, daß ich es nur verlegt hatte, und meine Anzeige zurückziehen … Ach, wie furchtbar werden nun die Tage und Nächte ohne ihn sein, ohne Jean, meinen süßen Geliebten!
Das Taxi hielt. Die Konsulin stieg aus und bezahlte den Chauffeur. Als sie auf den Eingang ihres Grundstücks zuschritt, trat hinter einer Palme ein blasser, verhärmter Mann hervor, der einen abgenützten Anzug mit Pfeffer-und-Salz-Musterung trug. Dieser Mensch zog seinen alten Hut vor Estrella und sprach sie in gebrochenem Portugiesisch an: »Senhora Rodrigues, ich muß Sie dringend um eine Unterredung bitten.«
»Nein, nein«, rief die üppige Konsulin zurückweichend.
»Doch, doch«, widersprach er, ihr folgend, die Stimme senkend, »es handelt sich um Jean Leblanc.«
»Wer sind Sie?«
»Mein Name«, erwiderte er, »ist Walter Lewis. Ich komme aus London.« Daß er aus London kam, stimmte. Er war vor einer Stunde gelandet. Daß er Walter Lewis hieß, stimmte nicht. Er hieß Peter Lovejoy, und er war derselbe Lovejoy, der von seinem Chef M 15 losgeschickt worden war, um diesem elenden Burschen Thomas Lieven endlich das Handwerk zu legen …
»Was wollen Sie von mir, Mr. Lewis?«
»Wissen, wo Monsieur Leblanc ist.«
»Was geht Sie das an?«
Der Mann, der sich gerade Lewis nannte, bemühte sich, Estrella mit Blicken aus glanzlosen, von schlechter Bezahlung und schlechter Ernährung melancholisch getrübten Augen zu bannen. »Er hat mich betrogen, er hat mein Land betrogen. Er ist ein Schuft …«
»Schweigen Sie!«
»… ein Subjekt
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