Es muß nicht immer Kaviar sein
Saales mit seinen funkelnden Lüstern, weißgoldenen Riesenspiegeln und kostbaren Gemälden erhoben sich Spieler. Von allen Seiten kamen sie herbei, drängten sich aneinander und starrten die schöne Frau im roten Abendkleid an, die gewann und gewann und dabei immer verzweifelter wurde.
»Sie sind zu schön. Sie haben zuviel Glück in der Liebe! Es wäre ungerecht, wenn Sie auch noch Glück im Spiel hätten!« Diese Worte Thomas Lievens, gesprochen am Abend ihrer Bekanntschaft, brannten wie Feuer in Estrellas Gedächtnis. Zuviel Glück in der Liebe, darum hatte sie immer verloren, und nun – und nun …
»27, rouge, impair et passe!«
Aufschrei der Menge.
Aufschluchzen Estrellas. Denn sie hatte wieder gewonnen, so viel, wie sich auf einen Schlag im Spielsaal von Estoril mit 27, rouge impair et passe überhaupt gewinnen ließ.
»Ich – kann – nicht – mehr«, ächzte die Schöne. Zwei Diener in Escarpins waren vonnöten, um sie an die Bar zu begleiten. Zwei weitere Diener mit Holzkästchen waren vonnöten, um die Jetongebirge, die sie erspielt hatte, zur Kasse zu schleppen, wo man sie einwechselte. Die Umrechnung ergab einen Betrag im Wert von 82 724 Dollar und 26 Cent. Sage noch einer, unrecht Gut gedeihe nicht! –
Estrella ließ sich einen Scheck geben. In ihrer golddurchwirkten Abendtasche fand sie noch einen 10 000-Escudo-Jeton. Von der Bar warf sie ihn über die Köpfe der Spieler hinweg auf das grüne Tuch eines Tisches. Der Jeton fiel auf Rot. Estrella rief schluchzend: »Für die verratenen Lieben!«
Es kam Rot …
Es kam Rot, erinnerte sich Estrella Rodrigues mit tränenfeuchten Augen am 5. November 1940 im Salon des teuersten Appartements im teuersten Hotel von San José. In San José war es halb zehn Uhr morgens costaricanischer Zeit. In Lissabon war es halb ein Uhr mittags portugiesischer Zeit. In Lissabon trank Thomas Lieven auf seinen furchtbaren Schrecken hin einen ersten doppelten Kognak. In San José trank die schöne Konsulin schon den zweiten doppelten des Tages. Den ersten hatte sie gleich nach dem Frühstück gekippt.
Sie kippte in den letzten Tagen immer öfter, immer früher, immer lieber. Sie litt unter einem schrecklichen Herzflattern. Sie mußte einfach trinken!
Denn wenn sie nicht trank, konnte sie die Erinnerung an Jean, den süßen, einmaligen, wunderbaren Jean – diesen Hund, diesen Barbaren! – überhaupt nicht mehr ertragen. Mit Kognak ging es noch einigermaßen. Nun war sie reich, nun hatte sie keine Sorgen mehr. Niemals würde sie ihren Geliebten wiedersehen. Die Schmach, sich ihm hingegeben zu haben, war abgewaschen.
Mit zitternden Fingern holte Estrella aus ihrer Krokodilledertasche einen goldenen Flakon hervor und schraubte ihn auf. Mit zitternden Fingern füllte sie von neuem ihr Glas. Und indessen neue Tränen zu fließen begannen, rief sie in den prunkvollen, leeren Salon hinein: »Niemals, niemals werde ich diesen Mann vergessen!«
6
»Niemals«, sagte Thomas Lieven, »niemals werde ich diese Frau vergessen!«
Perlmutterfarben sank die Abenddämmerung herab auf Lissabon. Wie ein gereizter Tiger lief Thomas Lieven in der Zelle hin und her.
Er hatte Lazarus reinen Wein eingeschenkt. Lazarus wußte nun, wie Thomas in Wahrheit hieß, was er angestellt hatte, was ihm bevorstand, wenn ihn der deutsche oder der britische oder der französische Geheimdienst erwischte.
Eine Zigarette rauchend, betrachtete der Bucklige seinen Freund besorgt und sprach: »Entsetzlich, so eine Hysterikerin! Und dazu weiß man bei so einer Person nie, was ihr noch alles einfällt!«
Thomas hielt vorübergehend in seinem munteren Gelaufe inne. »Das ist es ja! Morgen schreibt die Dame vielleicht einen Brief an den Polizeipräfekten und schiebt mir einen unaufgeklärten Mord in die Schuhe!«
»Oder mehrere.«
»Bitte, was?«
»Oder mehrere unaufgeklärte Morde.«
»Ach so, ja. Nein, nein, meine Lage ist vollkommen verzweifelt! Das verfluchte Armband hat sie natürlich auch mitgenommen! Es wird sich nie mehr finden! Ich kann hier sitzen, bis ich verschimmle.«
»Ja«, sagte Lazarus, »und darum mußt du schnellstens raus hier.«
»Raus hier?«
»Bevor sie dir noch mehr antut.«
»Lazarus, das hier ist ein Gefängnis!«
»Na, wenn schon!«
»Mit Gittern und Mauern und schweren Eisentüren! Mit Richtern und Wächtern und Bluthunden!«
»Stimmt. Ganz so leicht, wie du reingekommen bist, wird es darum für dich nicht sein, wieder rauszukommen.«
Thomas setzte sich auf
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