Es muss nicht immer Mord sein
ich.
»Außerdem kriegt man davon geplatzte Äderchen«,
sagte Jools.
Ich war in weniger als fünf Minuten angezogen
und fertig, zum Mittagessen zu gehen. Mein Haar ist zu einem kurzen Bubikopf
geschnitten, der sich sowieso nicht lockt, egal wieviel Mühe man sich mit dem
Föhn gibt, also lasse ich es immer naß.
Jools nahm sich viel Zeit mit diversen
Reinigungslotionen, Feuchtigkeitscremes und anderen Kosmetika. Wenn sie Make-up
aufgelegt hatte, wirkte ihr Gesicht erstaunlich verändert. Ihre Haut, die von
Natur aus ein bißchen fettig war und zu Pickeln neigte, wirkte plötzlich glatt
wie ein Kinderpopo; ihr großer Mund, der ständig zu lachen oder zu reden
schien, wurde zum raffinierten Schmollen, als sie scharlachroten Lippenstift
auftrug und mit einem Tempotaschentuch abtupfte. Sie benutzte nur sehr wenig
Wimperntusche und sagte mir, zuviel Farbe rund um die Augen lasse einen alt
erscheinen.
»Du solltest deiner Haut mehr Aufmerksamkeit
schenken, ehe es zu spät ist«, sagte sie und drückte mir ein Töpfchen
Pflegecreme in die Hand.
»Du hörst dich an wie meine Mutter«, sagte ich.
»Ich bin achtundzwanzig und habe kein einziges Fältchen im Gesicht, aber ich
muß mir fortwährend düstere Warnungen anhören, wie es mir eines Tages noch mal
leid tun wird... Ihr seid doch alle Opfer der Werbung.«
»Genaugenommen hast du ein paar Fältchen.«
»Was?« Ich hielt mein Gesicht dicht vor den
Spiegel und strafte damit meine Gelassenheit Lügen. »Wo?«
»War nur’n Witz«, sagte Jools. Sie streifte eine
dunkelgrüne Hemdbluse über ihren weißen Body und die gleichfarbigen
Radlerhosen, zog hochhackige dunkelgrüne Riemchensandalen an, probierte vor dem
Spiegel ein paar Posen aus und befand schließlich, sie sei fertig zum Gehen.
»Wie wär’s mit diesem Café, wo es die Sandwiches
mit Rinderschinken gibt?« fragte sie. »Ich hab’ diesen ganzen Gesundheitsfraß
satt. Nach einer Weile schmeckt das alles gleich. Du weißt, was ich meine?«
»Und ob. Nach frischgemähtem Heu«, stimmte ich
zu.
»Alles in Ordnung auf der Arbeit?« sagte Jools
und biß in ein Aprikosenteilchen.
»Ich glaube schon«, erwiderte ich halbherzig.
»Ich dringe langsam zu den Händlern durch. Einer von ihnen hat heute früh sogar
über einen Witz von mir gelacht, aber es herrscht trotzdem eine abscheuliche
Atmosphäre. Und ich hab’ kaum was zu tun.«
Ich hatte den größten Teil des Vormittags damit
verbracht, Dan anzurufen und ihm zu erzählen, wie gut mir sein zweiter Roman
gefallen hatte.
»Und die bespitzeln mich ständig.«
»Was meinste damit?«
»Na ja, da ist diese Frau, die für die Computer
zuständig ist, die ruft mich fortwährend an und will wissen, ob bei mir alles
in Ordnung ist. Sie hört sich eigentlich ganz freundlich an, aber ich habe das
Gefühl, sie will nachprüfen, ob ich am Platz bin, weißt du.«
Nachdem Dan und ich uns Lebewohl gesagt hatten,
hatte das Telefon geklingelt, nur ein einziges Mal, als wolle mich jemand
wissen lassen, daß mein stundenlanges Privatgespräch nicht unbemerkt geblieben
war.
»Und dein Boß? Wie ist der so?« fragte Jools.
»Martin? Der ist in Ordnung, danke. Ach, hab’
ich dir das noch nicht erzählt? Er ist ein Freund von mir, weißt du. Ich helfe
ihm aus der Klemme, weil er neu in dem Job ist, und er hilft mir wegen meiner
Bauschäden.«
»Deiner was?«
»Meiner Wohnung. Sie versackt im Londoner Lehm.
Es kostet ein Vermögen, das abzustützen.«
»Also dein Kumpel beschäftigt dich, möchte aber
nicht, daß die anderen im Büro das wissen, damit sie nicht denken, er vögelt
seine Sekretärin...«
»Genau, bloß, daß wir nicht miteinander vögeln.
Wir sind wirklich nur gute Freunde. Also ist das Ganze eigentlich ein bißchen
albern.« Es war eine ziemliche Erleichterung, es endlich jemandem zu erzählen.
»Was für ein Affentheater«, sagte Jools.
Ich drehte meinen Stuhl, damit mir die Sonne ins
Gesicht schien.
»Wie geht’s mit dem Katalog voran?« fragte ich.
»Beinahe fertig«, sagte sie.
»Müssen die nicht allmählich ein bißchen Dampf
machen?« wollte ich wissen.
»Was soll das heißen?«
»Na ja, die Läden sind schon voller
Herbstsachen.«
»Yeah«, sagte Jools und fügte dann hinzu: »Du
hast doch nicht etwa gedacht, der wäre für dieses Jahr? Die arbeiten heute ganz
schön weit vor.«
»Also, dann gib mir mal ’ne exklusive Vorschau.«
»Was meinst du damit?«
»Na ja, was trägt die Frau von Welt im nächsten
Winter?«
»Wieder
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