Es muss nicht immer Mord sein
viel Schwarz. Ehrlich gesagt achte ich
da gar nicht drauf. Ich könnt’ mir die Sachen eh alle nicht leisten. Das ist
ein hübsches Kleid, nebenbei.«
Es war ein königsblaues Sommerkleid von Yves St.
Laurent mit einem viereckigen Ausschnitt und einer goldfarbenen Knopfreihe auf
der Vorderseite. Meine Mutter hatte es mir aufgedrängt, als ich am Freitagabend
gegangen war; sie hatte gesagt, ich solle es nehmen, ihr sei die Farbe ein
bißchen zu knallig. Sie hatte in den letzten Jahren eine ganze Reihe teurer
Kleidungsstücke an mich weitergegeben, die allesamt wirkten, als seien sie nie
getragen worden. Ich hatte allmählich den Verdacht, daß das ihre Art war, mir
hübsche Sachen zu kaufen, weil sie wußte, daß ich zwar pleite war, aber auch
viel zu stolz, um Geschenke anzunehmen.
»Danke«, sagte ich. »Meine Mutter war auch mal
eine Art Model.«
Meine Mutter hatte als Kind den Wettbewerb einer
Frauenzeitschrift gewonnen, und ihr perfektes Gesicht warb ihre ganze Jugend
hindurch für Seife. Sie war so schön gewesen, daß mein Vater, der Künstler ist,
gebeten hatte, sie malen zu dürfen, als er Anfang der Sechziger jahre in einem
Café in Soho zufällig auf sie gestoßen war.
Ich meinte, so etwas wie Mißbilligung über
Jools’ Gesicht huschen zu sehen.
»Ich geb’ dir ’nen guten Rat« sagte sie. »Du
solltest Strumpfhosen tragen. Deine Beine sehen aus wie gekochter Hummer.«
Ich mußte lachen, weil die Beschreibung so
treffend war.
Als ich in mein Büro kam, klingelte das Telefon.
»Nette Mittagspause gehabt?« fragte die Frau.
»Ja, danke. Nicht, daß Sie das was angehen
würde«, sagte ich.
Ich knallte den Hörer auf die Gabel.
Die hat echt Nerven, dachte ich. Es war erst
zehn Minuten nach zwei. Wie konnte sie wissen, ob ich nicht verspätet Mittag
gemacht hatte? Hatte ich nicht. Aber woher sollte sie das wissen? Ich fragte
mich, ob Pat etwa die Zeiten notierte, zu denen ich kam und ging. Oder war es
Dawn, die mufflige Empfangsdame, die mich da bespitzelte? Ich hatte es
allmählich satt, kontrolliert zu werden. An diesem Morgen war ich so gut wie
pünktlich gekommen, und sobald ich mich hingesetzt hatte, hatte mein Telefon
geklingelt und Maries Stimme gesagt: »Ach, da sind sie. Ich hatte mich
bloß gefragt...«
Und als ob das nicht schon übel genug gewesen
wäre, hatte sie völlig vergessen, unter welchem fadenscheinigen Vorwand sie
eigentlich angerufen hatte, und aufgelegt.
Als Martin vom Essen zurückkam, stürmte ich
hinter ihm in sein Büro.
»Ich werde belästigt«, sagte ich wütend und
erklärte ihm die Situation.
Er lauschte geduldig und stimmte mir zu, das sei
unfair.
»Ich kümmere mich darum«, sagte er am Ende
meiner Schimpfkanonade.
Und was immer er sagte, schien zu wirken, denn
danach wurde ich mindestens vierzehn Tage lang in Ruhe gelassen.
Kapitel Neun
Es muß kurz vor Mutters Hochzeit gewesen sein,
als die Anrufe wieder begannen, denn ich erinnere mich, mit Dave darüber
gesprochen zu haben. Wir redeten über die neue Werbekampagne der British
Telecom, in der die Nation beschworen wurde, »doch mal wieder anzurufen«. Die
freche Werbung hatte in der Presse einige Debatten ausgelöst, und obschon die meisten
Leute die Kampagne zu mißbilligen schienen, sprach doch jedermann darüber.
»Ich kenne jemanden, der diesen Rat ziemlich
wörtlich nimmt«, sagte ich. »Er ruft ein paarmal am Tag an. Das Problem ist,
daß er dann nichts sagt. Na ja, was heißt, ich kenne ihn. Eigentlich kenne ich
sie oder ihn eben nicht.«
Dave sah mich neugierig an, also begann ich zu
erklären, was ich meinte.
»Am Anfang«, sagte ich, fischte ein
Minzblättchen aus meinem Glas Pimm’s und begann darauf herumzukauen, »dachte
ich, die EDV-Beauftragte der Bank spioniert mir nach. Aber dann habe ich die
Frau kennengelernt, Marie heißt sie, und gemerkt, daß sie es nicht sein konnte.
Marie ist Schottin, und sie hat einen unverkennbaren Akzent. Ehrlich gesagt
kann ich sie manchmal kaum verstehen. Sie sagt, das gehe den meisten so, und
deswegen verschickt sie gewöhnlich Kurzmitteilungen.«
»Wie hört sich deine Anruferin denn an?« fragte
Dave.
»Na ja, ziemlich häufig sagt sie überhaupt
nichts, aber ich spüre irgendwie, daß sie dran ist. Wenn sie etwas sagt, dann
mit einer Stimme ohne irgendwelche besondere Merkmale. Einer sehr alltäglichen
Stimme. Ganz gelegentlich wird sie ein bißchen mutig und fragt, was ich gerade
mache, aber meistens sagt sie bloß >Hallo, wie
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