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Es muss nicht immer Mord sein

Es muss nicht immer Mord sein

Titel: Es muss nicht immer Mord sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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geht’s<, so in der
Richtung.«
    Als mir klar geworden war, daß die Anrufe nicht
von Marie kamen, hatte ich ein, zwei Tage lang zutiefst erleichtert aufgeatmet.
    Dann, als sie immer häufiger wurden, begann ich
neugierig zu werden.
    Zuerst dachte ich, das könne ein seltsamer Witz
von Jools sein, aber sie stritt es hartnäckig ab und zeigte ein ausgeprägtes
Interesse an den Details, das sie meines Erachtens nicht aufgebracht hätte,
falls in Wirklichkeit sie die Übeltäterin war.
    Sie vermutete, es könne einer der Typen aus dem
Händlersaal sein, der ein Auge auf mich geworfen habe. Sie sagte, ihr sei
einmal etwas Ähnliches passiert, als sie das Angebot eines Fotografen abgelehnt
hatte, mit ihm einen trinken zu gehen. Als ich erzählte, daß der Anrufer eine
Frau war, stand auch sie vor einem Rätsel.
    Ich zerbrach mir den Kopf, um auf eine Frau zu
kommen, deren Stimme mir nicht vertraut war und die irgendeinen Grund haben
könnte, mich mit anonymen Anrufen zu belästigen. Hatte ich beispielsweise zu
viele spitze Bemerkungen über eine meiner früheren Kolleginnen gemacht? Aus
jüngerer Zeit fiel mir niemand ein, der wissen würde, wo ich jetzt arbeitete.
War es möglicherweise die Frau von jemandem, mit dem ich mal eine Affäre gehabt
hatte? Nein, konnte nicht sein. Zunächst mal hatte ich in meinem ganzen Leben
nur eine einzige Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt, und dessen Frau
war in Amerika. Und überhaupt: Warum sollte jemand, den es nach Rache
gelüstete, so freundlich sein?
     
    »Sehr besorgt scheinst du ja nicht«, sagte Dave.
    »Bin ich merkwürdigerweise auch nicht«, sagte
ich. Wahrscheinlich kam ich Dave blasierter vor, als ich mich in Wirklichkeit
fühlte, aber zu diesem Zeitpunkt beunruhigten mich die Anrufe tatsächlich nicht
besonders.
    »Irgendwie fasziniert mich das Ganze«, erzählte
ich ihm. »Es ist eher wie ein Spiel als eine Drohung. Früher oder später finde
ich garantiert raus, wer das macht. Es ist ein bißchen, als würde man beim
Cluedo auf die Karte warten, die das Bild vollständig macht.«
    »Wenn es eine Männerstimme wäre, würdest du
nicht so gelassen sein.«
    »Da hast du vermutlich recht«, sagte ich und
lächelte ihn an.
    Falls das überhaupt möglich war, wirkte Dave in
einem Anzug noch attraktiver als in seiner Pflegertracht.
    Obschon ich ihn nicht mehr gesehen hatte, seit
wir uns im Northwick Park Hospital getroffen hatten, bekam ich ihn doch nicht
völlig aus dem Kopf, und er tauchte immer wieder in meinen Fantasien auf. Ich
war — damals — noch nicht verknallt genug, um ihn von mir aus anzurufen, aber
ich war hocherfreut gewesen, seinen Namen auf der Gästeliste zu entdecken.
    Der Gottesdienst war weit bewegender gewesen,
als ich erwartet hatte. Da es sich nur um einen simplen Segen handelte, gingen
meine Mutter und Reg Hand in Hand zum Altar. Als ich sie im hinteren Teil der
Kirche entdeckte, wo sie darauf warteten, daß die Musik begann, mußt ich erst
mal schlucken, um die Tränen zurückzuhalten. Meine Mutter stand in einem großen
Fleck Sonnenlicht. Ihr Kleid, das ich bisher nur in Seidenpapier gewickelt im
Kleiderschrank des Gästeschlafzimmers hatte hängen sehen, bestand aus Seide in
der Farbe von Vanilleeiscreme. Das Oberteil war sehr schlicht, mit einem
dezenten Ausschnitt und langen, engen Ärmeln, auf denen sich vom Ellbogen bis
zum Handgelenk eine Reihe von Perlknöpfen hinzog. Der plissierte Rock fiel von
direkt unter ihrem kleinen Busen in einer Unzahl feinster Fältchen bis zum
Boden. Alles, was ihr zur Prinzessin aus dem Märchenbuch noch fehlte, war einer
dieser hohen kegelförmigen Hüte, aus deren Spitze ein Schleier kommt. Aber bei
ihrem gewohnt makellosen Geschmack hatte sie lediglich ihr langes, blaßgoldenes
Haar zu einem Dutt gewunden, der mit perlenbesetzten Nadeln festgesteckt war.
Sie trug einen Strauß aus winzigen gelben Rosen und Efeublättern.
    Ich wünschte, ich könnte sagen, daß Reg in
seinem Stresemann aussah wie ein schöner Prinz. Eine Menge Frauen würden ihn
zweifellos als Bild von Mann angesehen haben, aber was mich betrifft, so habe
ich Schnurrbärte immer gehaßt, weswegen dann das beste Wort, das mir zu seiner
Beschreibung einfallen will >schmuck< lautet.
     
    Mutter bekam schließlich ihren
>Hochzeitsmarsch<, und ich schritt nach der Zeremonie an Martins Arm
hinter dem glücklichen Paar den Mittelgang hinunter, was der Einwohnerschaft
von Pinner W1 zweifellos Anlaß zu allen möglichen Spekulation gab, aber

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