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Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)

Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)

Titel: Es soll Liebe sein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Saunders
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fühlte mich schon etwas weniger hoffnungslos. Wäre Phoebe hier bei mir gewesen, dachte ich, dann wäre jetzt Cousine Molly ins Feld geführt worden. Cousine Molly war Phoebes Standardgeschichte über triumphierende Hoffnung. Phoebe liebte es zu predigen. Ihre moralischen Geschichten folgten stets demselben mäandernden Kurs und konnten nicht beschleunigt oder geändert werden. Wir hörten sie immer wieder. Ich liebte die Wiederholungen, und Jimmy und die Jungen ebenfalls, obwohl sie nicht widerstehen konnten, sie deshalb zu necken. Ich machte es mir in den Kissen gemütlicher und spielte im Geiste das berühmte Beispiel von Phoebes Cousine (mütterlicherseits) durch.
    Cousine Molly hatte sich in einen jungen Marineoffizier verliebt, der ihre Liebe aber nicht erwiderte. Stattdessen war er mit irgendeiner auffälligen Blondine davongetanzt – laut Phoebe ein »Diana Dors-Typ« –, und das Herz der armen Molly war gebrochen. Sie wusste, dass sie sich nie wieder verlieben würde. Sie verschrieb sich einem Leben der tristen Altjüngferlichkeit, trug das Gemeindeblatt aus und kümmerte sich um den alten Onkel Angus.
    An diesem Punkt hielt Phoebe gewöhnlich inne, um Jimmy mit sanfter, bekümmerter Stimme zu fragen, warum er lachte. Die Erwähnung des »alten Onkels Angus« ließ Jimmy und die Jungen immer aus einem unbestimmten Grund in hysterische Lachanfälle ausbrechen. Sehr würde- und etwas vorwurfsvoll erzählte Phoebe den Rest der Geschichte an mich gewandt. Es war ungezogen, dass die Jungen lachten, sagte sie, weil Molly eine schreckliche Zeit durchmachen musste, nachdem ihr Herz gebrochen war. Bei einem Autounfall wäre sie fast gestorben, und man musste ihr linkes Bein unmittelbar unter dem Knie amputieren – »Jungs! Jimmy! Also wirklich! Das ist überhaupt nicht lustig – wie könnt ihr da lachen?«
    Hier wurde Phoebes Stimme etwas lauter. Wir hatten die Tiefen des Tales sondiert, aber nun eilten wir den Hügel des Happy Ends hinauf. Zwei lange Jahre vergingen. Dann traf Molly recht zufällig ihren Marineoffizier wieder – und dieses Mal verliebte er sich in sie, trotz ihrer Behinderung (vielleicht, so meinte Phoebe einmal, weil er als Marineangehöriger eher an einbeinige Menschen gewöhnt war). Zwei Wochen später, auf dem Golfplatz in Fort William, hielt er um ihre Hand an. Diese Geschichte passte sehr gut, um zu zeigen, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte, weil Molly fünfunddreißig Jahre später noch immer glücklich verheiratet war und drei Kinder hatte. (»O Ben, sei nicht albern – natürlich haben sie alle zwei Beine.«)
    Ich konnte nicht an Cousine Molly denken, ohne mich getröstet zu fühlen. Ich schniefte heftig, erschöpft und fast erfreulich müde. Es war möglich, dass ich wegen Fritz überreagierte. Alle möglichen Dinge waren möglich – nun, denken Sie an Cousine Molly. Vielleicht sollte ich mir ein Bein absägen. Ich erhob mich, zog meinen Mantel aus und machte mir eine Tasse Tee.
    Ich erkannte es erst, als ich meinen Tee vor dem Fernseher trank. Ich war depressiv gewesen, weil ich Phoebes Stimme nicht hören konnte. Aber vielleicht meinen die Leute, wenn sie sagen, sie hätten sie »gehört«, dass man sich der Worte der Toten erinnert und ein Gespür für das entwickelt, was sie unter gewissen Umständen gesagt hätten. Es war nicht so, als hätte man eine Vision, oder als sähe man einen Geist. Es war nichts Mystisches daran. Ich erinnerte mich einfach besonders intensiv. Aber das Ergebnis war, dass ich getröstet zu Bett ging. Also war Phoebe, in gewissem Sinne, bei mir gewesen.

    Zwei trübselige Wochen später, gegen Ende November, traf ich Fritz in Camden Town. Es war ein Samstagmorgen. Ich war im Vollwertkost-Laden gewesen, als Teil meines Entschlusses, ein gesünderes Leben zu führen. Ich sah Fritz an der Kreuzung beim Bahnhof auf mich zukommen.
    Er lächelte, als er mich sah, und umarmte mich so fest, dass es mich umhaute. »Cassie, wie schön, deine zwergenhafte Gestalt zu sehen. Ich hatte mir gerade gewünscht, dass mir ein netter Mensch einen Kaffee spendieren würde.«
    »Dein Wunsch ist wahr geworden. Ich wollte gerade zu Costa’s.«
    »Wunderbar. Lass mich deine Einkäufe nehmen – guter Gott, was hast du hier drinnen? Einen Ziegelstein?« Er nahm mir die Recycling-Tüte aus der Hand und zog ein Vollkornbrot hervor. »Willst du das essen? Oder baust du eine Mauer auf Raten?«
    »Hör auf, damit herumzufuchteln.« Ich nahm meine Einkäufe wieder an mich.

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