Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
dass sie sterblich waren oder dass ihre stämmigen Kleinkinder zu traurigen Erwachsenen heranwachsen würden. Der Gedanke, dass ich die glücklichste Zeit ihres Lebens beobachtete, bekümmerte mich, aber sie waren zu beschäftigt, um es zu bemerken.
»Setzen wir uns einen Moment«, sagte Hazel.
In der Nähe stand eine Bank. Es war eine Inschrift eingelassen, in Erinnerung an Clive und seinen Hund Zipper, die diesen Platz liebten. Wir konnten nicht vom Tod loskommen, wo immer wir auch hinsahen. Das war selbst in Arkadien so.
»Das ist eine sehr gute Idee.« Ich führte Hazel zur Bank hinüber. Wir setzten uns.
Hazel verschränkte die Hände im Schoß und blickte auf den See hinaus. »Ich verstehe es nicht. Ich kann nicht müde sein. Ich tue nichts anderes als schlafen.«
»Wir werden uns hier ausruhen, so lange du willst«, erwiderte ich. »Wir haben keine Eile.«
»Du hättest dir nicht freinehmen sollen.«
»Hazel, bitte sprich nicht von der Arbeit – weder von deiner noch von meiner. Oder von anderer Leute Arbeit.«
»Tut mir Leid. Ich kann nicht anders.«
Ich wusste, was Phoebe zu ihr gesagt hätte. »Ich wünschte, du würdest etwas essen.« Ich hörte mich sagen: »Du hast dein Mittagessen nicht angerührt.«
»Oh, tut mir Leid, Cassie. Es war lieb von dir, mir Mittagessen mitzubringen. Aber ich habe, seit das geschehen ist, vergessen, wie man isst.«
»Du stehst noch unter Schock.«
»Mum hatte mich bei der Arbeit angerufen«, sagte Hazel. »Ich nahm den Anruf mitten in einer Konferenz entgegen. Er … er ist einfach im Garten umgekippt, als er sich die Johannisbeersträucher ansah. Und ich konnte es einfach nicht glauben. Wir hatten noch zwei Abende zuvor miteinander telefoniert. Da klang er vollkommen in Ordnung.«
»Worüber hattet ihr gesprochen?«
»Es war ein gutes Gespräch. Es war sogar ein sehr gutes -Gespräch. Wir haben viel über meinen Onkel Mark gelacht.«
»Ich bin froh, dass ihr im Frieden auseinander gegangen seid«, sagte ich. »Das muss doch ein wenig helfen, oder?«
»Aber der Streit war nicht vorbei«, sagte Hazel. »Wir hatten ihn nicht beendet.« Sie rang die Hände. Ich hatte noch nie erlebt, dass jemand anderer als eine Romanfigur das tat, erkannte es aber jetzt als eine authentische Geste der Verzweiflung. »Ich will böse auf ihn sein«, sagte sie. »Und dann denke ich plötzlich daran, wie ich auf seinen Schultern geritten bin, als ich klein war. Oder daran, wie er sich als Weihnachtsmann verkleidet hatte.«
Ihr Gesicht verzog sich schmerzlich. Sie begann zu weinen, und ich hatte den Eindruck, als würde das wieder zu ihrer Hauptbeschäftigung. Tiefes, quälendes, keuchendes Schluchzen erschütterte sie. Was konnte ich sagen? Es gibt keinen Trost für die Untröstlichen. Aber ich hörte erneut Phoebes Stimme, die mir erzählt hatte, wie sie sich fühlte, als Jimmy starb. »Du willst keinen Trost, du willst Geduld. Du brauchst jemanden, der dich einfach festhält und mitfühlt, egal, wie lange es dauert.«
Ich gab Hazel ein Papiertaschentuch in die ringenden Hände und legte einen Arm um sie.
Sie weinte, und ich schaute über den See hinweg und lauschte auf die Rufe der Kinder und die Schreie der Enten. Menschen gingen an uns vorüber. Einige sahen uns neugierig an, oder mitleidig. Eine Brise kam auf.
Ein Parkwächter fuhr heran, in einem dieser weißen Elektrowagen, die stets durch den ungefähr neunhundert Hektar großen Heath rollten, die offenen Ladeflächen mit Blättern und Zweigen bepackt. Er hielt vor uns an. Der Parkwächter sprang heraus und fragte: »Cassie? Ich dachte mir schon, dass du es bist.«
Ich schaute unter den schrecklichen braunen Filzhut, den die Parkwächter tragen müssen, und erkannte das schmale Gesicht und den widerspenstigen Bart von Betsys Jonah.
»Ist deine Freundin okay? Kann ich etwas tun?«
Er war so sanft und freundlich, dass ich plötzlich sehr froh war, ihn zu sehen. »Hi, Jonah«, sagte ich. »Dies ist meine Freundin Hazel. Ihr Vater ist letzte Woche gestorben.«
Sanftes Mitgefühl überzog seine (etwas hasenähnlichen) Züge. »Das ist hart.« Er hockte sich vor Hazel hin. »Hi, ich bin Jonah Salmon. Cassie ist mit meinen Schwestern zur Schule gegangen. Ich glaube, Sie brauchen eine Tasse Tee.«
Hazel hatte aufgehört zu weinen. Sie putzte sich verwirrt die Nase. »Ich … nein, es geht mir gut«, murmelte sie.
»Ihr solltet bei diesem Wind nicht hier draußen sein. Mein Häuschen ist gleich dort drüben.« Er deutete
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