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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Arizona 6500 Dollar geerbt, und ihre Eltern, offenbar strenge und unerschütterliche Anhänger der Erziehungsmethode nach dem Motto ›Wer ins Wasser geworfen wird, muß schwimmen oder er geht unter‹, hatten erklärt, sie solle ihr Kapital selbständig investieren und somit lernen, erwachsen zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Also war sie, ein Schaf, das sich freiwillig scheren ließ, zum nächsten Maklerbüro gegangen, um ihr Geld sinnvoll anzulegen. »Woran hatten Sie denn gedacht?« erkundigte sich Selig. »An sichere Wertpapiere oder an ein bißchen Spekulation, eine Chance, Gewinne zu erzielen?«
    »Ich weiß nicht recht. Ich verstehe überhaupt nichts von der Börse. Ich möchte nur keine Dummheit machen.«
    Ein anderer Makler – Nadel zum Beispiel – hätte ihr jetzt einen Vortrag über das Thema ›Wer nicht wagt, der nicht gewinnt‹ gehalten, ihr geraten, sich so überholte und verstaubte Konzepte wie Dividenden aus dem Kopf zu schlagen und statt dessen mit Papieren wie Texas Instruments, Collins Radio, Polaroid und so weiter ein Aktienkonto zu eröffnen. Dann hätte er dieses Konto ständig in Bewegung gehalten, Polaroid gegen Xerox ausgetauscht, Texas Instruments gegen Fairchild Camera, Collins gegen American Motors, American Motors wieder gegen Polaroid, dabei stattliche Courtagen eingesteckt und ihr selbst vielleicht zu etwas Geld verholfen oder aber etwas von ihrem Kapital verloren. Für derartige Manipulationen hatte Selig dagegen nichts übrig. »Es mag Ihnen vielleicht langweilig vorkommen«, erklärte er, »aber wir gehen lieber auf Nummer Sicher. Ich werde Ihnen zuverlässige Investitionen empfehlen, von denen Sie zwar nicht reich werden, bei denen Sie aber auch nichts verlieren können. Und dann können Sie ruhig dasitzen und zusehen, wie sie wachsen, ohne daß Sie tagtäglich die Börsennotierungen verfolgen müssen, um nachzusehen, ob Sie vielleicht lieber verkaufen sollten. Denn Sie haben doch bestimmt keine Lust, sich um Kursschwankungen zu kümmern, wie?« Dies war nun keineswegs die Art von Kundenbetreuung, die Martinson ihm beigebracht hatte, aber zum Teufel mit den Vorschriften! Er stellte ihr ein ansehnliches Paket zusammen: ein paar Jersey Standard, ein paar Telephone, ein paar IBM, zwei gute Elektro-Werte und dreißig Anteile eines begrenzten Fonds namens Lehman Corporation, den auch seine älteren Stammkunden bevorzugten. Sie stellte nicht eine einzige Frage und wollte nicht einmal von ihm wissen, was denn begrenzte Fonds seien. »So«, sagte er abschließend, »jetzt haben Sie ein Aktienkonto. Damit sind Sie Kapitalistin geworden.« Sie lächelte. Es war ein scheues, beinahe gezwungenes Lächeln, aber er glaubte eine Andeutung von Flirt in ihren Augen zu entdecken. Es war eine Qual für ihn, nicht in ihren Gedanken lesen zu können, sich auf die äußeren Anzeichen verlassen zu müssen, wenn er wissen wollte, wie seine Chancen bei ihr standen. Aber er nahm das Risiko auf sich. »Was haben sie heute abend vor?« fragte er sie. »Ich habe hier um vier Uhr Schluß.«
    Sie habe Zeit, antwortete sie. Nur müsse sie von elf bis sechs arbeiten. Sie verabredeten, daß er sie gegen sieben in ihrer Wohnung abholen sollte. An der Herzlichkeit ihres Lächelns, als sie das Büro verließ, war nicht zu zweifeln. »Sie Glückspilz!« sagte Nadel neidisch. »Haben Sie sich mit ihr verabredet? Es verstößt gegen die SEC-Vorschriften, daß sich ein Kundenberater mit Klientinnen einläßt.«
    Selig lachte nur. Zwanzig Minuten nach Börsenbeginn tätigte er einen Leerverkauf von 200 Molybdenum an der Amex und den Rückkauf zur Lunchzeit um anderthalb Punkte niedriger. Das dürfte die Kosten des Abendessens decken, überlegte er sich. Und etwas würde sogar noch übrigbleiben. Den Tip hatte er am Tag zuvor von Nyquist bekommen: Moly eignet sich gut für Leerverkäufe, die fällt mit Sicherheit in den Keller. Während der nachmittäglichen Sauregurkenzeit rief er, mit seinem Erfolg zufrieden, bei Nyquist an, um ihm zu berichten. »Du hast viel zu früh zurückgekauft«, kritisierte Nyquist sofort. »Die fällt in dieser Woche noch um mindestens fünf Punkte. Die ganz Gerissenen warten solange.«
    »So geldgierig bin ich nun auch wieder nicht. Ich begnüge mich mit dem, was ich habe.«
    »So wirst du aber bestimmt nicht reich.«
    »Wahrscheinlich fehlt mir der Glücksspielerinstinkt«, antwortete Selig. Er zögerte. Er hatte Nyquist angerufen, um ihm von seinem Leerverkauf zu erzählen. Ich

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