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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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im Wald, was sich später als äußerst zweckmäßig erwies. Erweisen sollte sich aber auch, dass einen weder Arbeit noch kluge Voraussicht vor dem Schicksal bewahren, das man mit allen teilt, nichts kann einen retten außer – man hat Glück.
    Währenddessen hatten wir den schrecklichen Juni zu überstehen, wo auf dem Dorf die Vorräte gewöhnlich zu Ende gehen. Wir fraßen Löwenzahnsalat und kochten Brennnesselsuppe, aber hauptsächlich rupften wir Gras, und das Rucksäcke- und Taschenschleppen nahm überhaupt kein Ende. Mähen hatten wir nicht gelernt, außerdem stand das Gras noch nicht sehr hoch. Schließlich gab uns Anisja die Ziege (für zehn Rucksack Gras, und das ist eine ganze Menge), und Mama und ich gingen abwechselnd mähen. Noch einmal, wir lebten fern von der Welt, ich hatte schreckliche Sehnsucht nach meinen Freundinnen und Freunden, aber wir waren von allem abgeschnitten, mein Vater hörte zwar ab und zu Radio, aber selten, er schonte die Batterien. Das Radio brachte nur verlogenes und ungenießbares Zeug, wir aber mähten, und unser Zicklein Raja wuchs heran, und wir mussten ihm ein Böcklein besorgen, wir gingen wieder in dasselbe Dorf, wo die uns bereits bekannte Besitzerin eines weiteren Zickleins lebte. Damals hatte sie es uns aufschwatzen wollen, und wir hatten das Böcklein nicht zu schätzen gewusst! Die Bäuerin empfing uns unwirsch, dort wussten schon alle über uns Bescheid, bloß nicht, dass unsere Ziege noch existierte, unsere Raja war ja bei Anisja aufgewachsen. Daher die Unfreundlichkeit: Die Bäuerin hatte uns das Zicklein verkauft, und wenn wir es nicht hüten konnten, war es unser Pech. Das Böcklein wollte sie nicht hergeben. Mehl hatten wir keins mehr, weder Mehl noch Fladen – außerdem hatte ihr Ziegenbock schon ein ganz schönes Gewicht, und drei Kilo Frischfleisch kosteten in diesen mageren Jahren Gott weiß wie viel. Wir wurden erst handelseinig, als wir ihr ein Kilo Salz und zehn Riegel Seife boten. Aber das war uns die künftige Milch wert. Nachdem wir der Bäuerin eingeschärft hatten, dass wir den Bock lebend brauchten, liefen wir nach Hause, die Sachen holen. »Glaubt ihr, ich mach mir wegen euch die Finger schmutzig«, antwortete die Bäuerin. Gegen Abend waren wir mit dem Ziegenbock endlich zu Hause, und der raue Sommeralltag begann: Heumahd, Unkraut jäten, Kartoffeln häufeln, und das alles im Takt mit Anisja … Wie vereinbart bekamen wir von ihr die Hälfte der Ziegenknödel und düngten damit den Boden, aber bei uns wuchs alles schlecht, alles sah mickrig aus. Anisja, von der Heumahd freigestellt, pflockte die Ziege und den ganzen Ziegenkindergarten in unserer Sichtweite an, ging Pilze und Beeren sammeln und kam dann bei uns vorbei und begutachtete unsere Arbeit. Den Dill mussten wir noch mal aussäen, weil wir die Samen zu tief in die Erde gebracht hatten, wir brauchten ihn aber zum Gurkeneinlegen. Die Kartoffeln schossen ins Kraut. Meine Mutter und ich studierten das »Handbuch für den Gemüsegärtner«, mein Vater war endlich mit seiner Arbeit im Wald fertig, und wir gingen uns seine neue Behausung ansehen. Es war irgendeine alte Hütte, mein Vater hatte sie wohl teilweise erneuert, auf jeden Fall abgedichtet, Rahmen, Fensterscheiben und Türen eingesetzt und das Dach mit Dachpappe gedeckt. Das Haus war noch leer. In den folgenden Nächten fuhren wir Tische, Bänke, Truhen, Kübel, Töpfe und die verbliebenen Vorräte dorthin und versteckten alles, mein Vater hatte nämlich einen Vorratskeller ausgehoben, fast eine richtige unterirdische Hütte, mit Ofen, unser drittes Haus. In Vaters kleinem Garten blühte schon alles.
    Im Laufe des Sommers wurden meine Mutter und ich zu groben Bäuerinnen mit klobigen Fingern und Händen, mit dicken, klobigen Nägeln, in die sich der Dreck gefressen hatte, und das Tollste war, am Nagelbett hatten sich kleine Wülste gebildet: Hornverdickungen, richtige Auswüchse. Das Gleiche sah ich auch bei Anisja, sogar die faule Marfutka hatte solche Hände, bei Tanja, unserer feinen Dame und Krankenschwester, die gleiche Geschichte. Übrigens: Tanjas Dauergast, die Schäferin Werka, hatte sich im Wald erhängt, Schäferin war sie längst nicht mehr gewesen, die Herde war aufgegessen, und Anisja hatte Tanja schlechtgemacht und uns ihr Geheimnis preisgegeben: Werka hätte von

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