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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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(mein Vater und meine Mutter waren beide zweiundvierzig, ich war achtzehn).
    Am Abend kam zuerst Tanja zu uns, in ihrem Ausgehmantel, gelben Gummistiefeln und mit der neuen Einkaufstasche. Sie brachte uns ein in saubere Lappen gewickeltes, von der Sau erdrücktes Ferkel. Sie wollte rauskriegen, ob wir in Mora gemeldet waren, und sie erklärte, viele Häuser hätten noch Besitzer, und sie kämen bestimmt, wenn man ihnen schriebe. Das wären keine verlassenen Häuser und kein verlassenes Hab und Gut, und jeder einzelne Nagel gehörte gekauft und dann erst eingeschlagen. Abschließend erinnerte uns Tanja noch einmal an den versetzten Zaun und daran, dass Marfutka noch lebte. Das Ferkel bot sie uns für Geld an, gegen Papierrubel, und am selben Abend noch zerhackte und pökelte Papa das tote Ferkel, das in den Lappen aussah wie ein Kind. Die Äuglein mit Wimpern und so weiter.
    Als Tanja weg war, kam Anisja mit ihrem Glas Ziegenmilch, und bei einer Tasse Tee einigten wir uns schnell auf den neuen Preis: für eine Konserve drei Tage Milch. Anisja fragte voller Hass nach Tanja, was sie bei uns gesucht habe, und billigte unseren Entschluss, Marfutka unter die Arme zu greifen, obwohl sie lachend über Marfutka sagte, dass sie stinke.
    Die Ziegenmilch und das erdrückte Ferkel sollten uns vor Skorbut bewahren, außerdem zog Anisja ein Zicklein auf, und wir beschlossen, es für zehn Dosen zu kaufen, aber nicht gleich, sondern erst, wenn es ein bisschen größer war, da Anisja besser wusste, wie man mit kleinen Ziegen umgeht. Allerdings hatten wir mit ihr nicht gesprochen, und das blöde Weib, vor Eifersucht auf ihre frühere Chefin völlig meschugge, erschien bald darauf feierlich mit dem in saubere Lappen gewickelten totgeschlagenen Zicklein bei uns zu Hause. Für ihr barbarisches Benehmen bekam sie zwei Dosen Fisch, und Mama brach in Tränen aus. Wir versuchten das frische Fleisch zu kochen, aber man konnte es irgendwie nicht essen, und Papa musste es wieder pökeln.
    Ein Zicklein kauften wir trotzdem, dafür machten Mama und ich allerdings einen Gewaltmarsch von zig Kilometern, bis zu einem Dorf hinter Tarutino und wieder zurück, aber wir marschierten wie Touristen, wie auf einer Wanderung, als hätten sich die Zeiten nicht geändert. Wir hatten jede einen Rucksack auf dem Rücken und sangen, im Dorf fragten wir am Brunnen, wo man hier Ziegenmilch zu trinken bekäme, für einen kleinen Laib Brot kauften wir ein Glas Milch und priesen die kleinen Zicklein. Ich flüsterte meiner Mutter ins Ohr, dass ich gerne so ein Zicklein haben wollte. Und ein gutes Geschäft witternd, wurde die Bäuerin ganz hektisch, aber Mama schlug meine Bitte, ebenfalls flüsternd, ab, und da lobte mich die Bäuerin scheinheilig, sie erklärte, sie liebe die Zicklein wie ihre eigenen Kinder und vertraue mir deshalb alle beide an. Aber ich entgegnete: »Ach wo, ein Zicklein ist genug.« Wir handelten rasch einen Preis aus, die Frau hatte offenkundig keine Ahnung vom heutigen Wert des Geldes und verlangte zu wenig. Sie gab uns sogar noch einen Klumpen Salz mit. Anscheinend war sie felsenfest davon überzeugt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, und wirklich begann das Zicklein, entkräftet von dem anstrengenden Weg, bei uns zu verkümmern. Retterin in der Not war wieder mal Anisja, sie nahm das Zicklein zu sich, vorher beschmierte sie es mit Dreck von ihrem Hof, und da nahm die Ziege das Junge an wie ihr eigenes, drückte es nicht tot. Anisja strahlte.
    Das Notwendigste hatten wir zusammen, doch mein rastloser, hinkender Vater ging jetzt andauernd in den Wald. Er nahm ein Beil mit, Nägel, eine Säge und die Karre, bei Morgengrauen ging er aus dem Haus und kam erst wieder, wenn es stockdunkel war. Mama und ich schufteten im Garten, recht und schlecht übernahmen wir Vaters Rolle und beschafften Fensterrahmen, Türen und Scheiben, und dann kochten wir auch noch, räumten auf, holten Wasser zum Wäschewaschen und nähten. Aus alten Schafspelzen, die wir in den Häusern aufstöberten, schusterten wir so etwas wie Filzstiefel zusammen, nähten uns Fausthandschuhe und fertigten Fellunterbetten an. Als mein Vater nachts auf ein solches Unterbett stieß, befühlte er es, rollte auf der Stelle alle drei zusammen und fuhr sie gleich am nächsten Morgen mit der Karre weg. Es sah aus, als würde mein Vater ein zweites Lager einrichten, und zwar

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