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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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Schraubglas Milch für den Kleinen hatte er noch dabei. Es stellte sich heraus, dass unser Haus von irgendeinem Wirtschaftskommando besetzt war, vor dem Garten stand ein Wachtposten, Anisjas Ziege hatten sie auch in unser ehemaliges Haus gebracht. Seit Anbruch der Nacht hatte Anisja mit dem Gläschen Milch vom Vorabend meinem Vater auf seinem Kriegspfad aufgelauert. Mein Vater war zwar geknickt, aber er freute sich auch, dass es ihm abermals gelungen war zu entkommen, und das mit der ganzen Sippe.
    Unsere einzige Hoffnung waren nun Vaters kleiner Gemüsegarten und die Pilze im Wald. Lena blieb mit dem Jungen in der Hütte, wir nahmen sie nicht mit in den Wald, schlossen sie ein, damit sie uns nicht von der Arbeit abhielt. Und seltsam, mit dem Jungen blieb sie allein, ohne gegen die Tür zu trommeln. Naiden trank schmatzend seine Kartoffelbrühe, während meine Mutter und ich mit Körben und Rucksäcken durch die Wälder streiften. Die Pilze legten wir nicht mehr ein, sondern trockneten sie nur noch, das Salz ging zur Neige. Mein Vater grub einen Brunnen, bis zum Bach war es ziemlich weit.
    Am fünften Tag nach unserer Umsiedlung tauchte Großmutter Anisja bei uns auf. Sie kam mit leeren Händen, außer der Katze auf ihrer Schulter hatte sie nichts dabei. Anisjas Augen blickten so merkwürdig. Sie saß eine Weile auf dem Treppchen und hielt die verängstigte Katze in ihrem Rockschoß, dann rappelte sie sich auf und ging in die Wälder. Die Katze verkroch sich unter der Treppe. Nicht lange, und Anisja kehrte mit der Schürze voller Pilze zurück, ein Fliegenpilz war auch dabei. Anisja blieb auf der Treppe sitzen, sie wollte nicht ins Haus. Wir brachten ihr unser mageres Süppchen raus, in dem Glas, in dem sie uns die Milch gegeben hatte. Abends schaffte mein Vater Anisja in die Erdhütte, unser drittes Reservequartier, wo sich Anisja ausruhte, um dann rüstig durch die Wälder zu streifen. Die Pilze nahm ich ihr weg, damit sie sich nicht vergiftete. Einen Teil trockneten wir, den anderen warfen wir fort. Als wir eines Tages aus dem Wald zurückkehrten, fanden wir alle unsere Ziehkinder vereint auf der Treppe sitzen. Anisja wiegte Naiden und benahm sich überhaupt wie ein Mensch. Sie redete auf Lena ein, und die Worte sprudelten nur so: »Alles haben sie durchschnüffelt, alles haben sie weggeholt. Bei Marfutka haben sie nicht mal die Nase reingesteckt, aber mir haben sie alles weggenommen, die Ziege haben sie am Strick fortgeführt …«
    Anisja machte sich noch lange nützlich, hütete unsere Ziegen, bis der Frost kam, passte auf Naiden und Lena auf. Dann kroch sie mit den Kindern auf den Ofen und kletterte nur zum Austreten runter. Der Winter wehte alle Wege zu uns zu, wir hatten Pilze, Beeren, getrocknet und eingekocht, Kartoffeln aus Vaters Gemüsegarten, den Dachboden voller Heu, eingelegte Äpfel von verlassenen Grundstücken im Wald und sogar ein Fässchen mit eingelegten Gurken und Tomaten. Auf der Waldparzelle wuchs, vom Schnee zugedeckt, das Wintergetreide. Es gab die Ziegen. Es gab den Jungen und das Mädchen zur Fortsetzung des Menschengeschlechts, es gab die Katze, die uns freche Waldmäuse brachte, es gab die Hündin Krassiwaja, die diese Mäuse nicht fressen wollte, mit der mein Vater aber bald auf Hasenjagd zu gehen gedachte. Mit dem Gewehr zu jagen traute mein Vater sich nicht, er hatte sogar Angst, Holz zu fällen, weil er fürchtete, der Krach könnte uns verraten. Wenn Schneestürme tobten, ging mein Vater Holz fällen. Es gab die Großmutter, den Born der Volksweisheit. Rings um uns lagen die eisigen Fluren.
    Einmal jedoch schaltete mein Vater das Radio ein und suchte lange nach einem Sender. Der Äther schwieg. Entweder waren die Batterien alle, oder wir waren tatsächlich allein auf der Welt. Vaters Augen glänzten: Wieder einmal war es ihm gelungen zu entkommen!
    Für den Fall, dass wir nicht allein sind, wird man uns finden. Das ist allen klar. Aber erstens hat mein Vater ein Gewehr, und wir haben Skier und einen hellhörigen Hund. Und zweitens: Wer weiß, wann sie kommen! Wir leben und warten, und dort, das wissen wir, lebt auch jemand und wartet, dass unsere Saat aufgeht und das Getreide wächst und die Kartoffeln und die neuen Zicklein, und dann werden sie kommen. Und alles mitnehmen, auch mich. Vorerst aber ernähren sie sich von unserem Garten im Dorf, von Anisjas Garten und von

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