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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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Intensivstation, ordnungshalber, dann werde er auf die psychiatrische Abteilung verlegt.
    Wenn sie ihn im Krankenhaus für unzurechnungsfähig erklärten, dann träfe das ein, was er am meisten befürchtet hatte, denn insgeheim hatte er sich später mal ein Auto anschaffen wollen, Verrückte aber kriegen keinen Führerschein.
    In diesem Fall müsste er nicht zur Armee, und sie hätte ihn wie früher am Hals und er würde immer tiefer sinken. Würd er nicht für verrückt erklärt, was auch möglich war – denn er würde den Selbstmord hundertprozentig negieren, sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben und sagen, er habe seiner Mutter nur einen Schreck einjagen wollen –, dann blühte ihm die Armee und dort ganz bestimmt der Selbstmord, der Zinksarg. Das hatte er auch seiner Mutter gesagt: Erniedrigung ertrage ich nicht, kannst gleich auf mich warten und mich begraben.
    Sie war am Ende. Nadja wartete den Abend, die Nacht und den Morgen ab und ging dann schwankend ins Krankenhaus. Die Ärztin von der psychiatrischen Abteilung empfing sie freundlich und sagte, der Selbstmord sei mithilfe von Freunden vorgetäuscht gewesen, der Junge habe es selbst zugegeben. »Aber am Hals waren rote Striemen«, rief Nadja.
    Â»Der Strick war zu dünn, er hat sich die Striemen selbst beigebracht«, entgegnete die Ärztin. »Er hat gesagt, wenn er sich wirklich hätte erhängen wollen, dann hätte er einen anderen Strick genommen. Dann hat er uns alles erzählt, was Sie der Schwester im Krankenwagen gesagt haben und was die Schwester gesagt hat, wie das Mädchen ausgesehen hat, was sie anhatte. Er hat Ihnen was vorgemacht.«
    Â»Und der blutige Schaum vorm Mund?«, wollte Nadja einwenden, aber die Ärztin hörte ihr nicht mehr zu und sagte, der Junge leide sehr und wolle seine Mutter nicht sehen, er wolle nicht mehr nach Hause zurück nach diesem Quatsch, den er angestellt hatte.
    Er hat mich bestohlen, wollte Nadja rufen, weinte aber nur jämmerlich. »Sie müssen selbst in Behandlung«, riet ihr die Ärztin.
    Nadja schlich nach Hause und rief ihre Bekannten und Freunde an, um sich Rat zu holen.
    Dann ging sie in den Hof hinunter, wo die alten Frauen auf der Bank saßen, und beriet sich mit denen ebenfalls.
    Sie benahm sich wie eine echte Verrückte, das heißt, sie konnte ihre Zunge nicht im Zaum halten.
    Sie hielt in ihrer Gasse sogar Leute an, die sie nur flüchtig kannte, und erzählte ihnen alles wie bei einer Beichte.
    Man warf schon neugierige Blicke auf sie, stachelte sie an, stellte ihr Fragen.
    Eine ehemalige Nachbarin kam ihr zu Hilfe, eine Großmutter, die sie zufällig auf der Straße traf und die jetzt woanders wohnte, bei ihrer Schwester, die sei todkrank, wie sie sagte, habe nur noch zwei Wochen zu leben und deshalb habe Nadja sie lange nicht gesehen (es gab eine Zeit, da war Nadja für sie einkaufen gegangen, und die Großmutter hatte ihr alles erzählt: wie sie die Wohnung ihrem geliebten Enkelsohn als Schenkung vermacht hatte, um ihr Leben in aller Ruhe mit der Sicherheit beenden zu können, dass der Junge versorgt sei – und wie dieser Enkel, als er die Schenkung erhalten hatte, beschloss, die Wohnung von Grund auf zu renovieren, neues Parkett zu legen, und die Großmutter vorübergehend zu ihrer Schwester brachte, damit sie ihre Ruhe habe, und wie er dann verschwunden sei und jetzt wildfremde Leute in der Wohnung wohnten, die sie ihrem Enkel ganz legal abgekauft hatten, so standen die Dinge – von dieser Geschichte wussten alle im Haus).
    Bis vor Kurzem hatte die betrogene Oma ihre Nachbarn noch besucht und geweint, jetzt aber hatte sie sich offensichtlich beruhigt, weil sie sich nicht mehr beschweren kam, ihr gehe es ganz gut, sagte sie (»Mit der Schwester?«, fragte Nadja, und die Alte antwortete, jetzt ohne Schwester, und Nadja hatte Angst, weiter zu fragen), ihr gehe es ganz gut, sie habe viele Blumen angepflanzt (»Auf dem Balkon?«, fragte Nadja wieder, aber die Alte sagte, nein, auf dem Kopf, merkwürdige Antwort, und Nadja fragte nicht, wo), sie wollte sich selbst aussprechen, und sie erzählte alles der Reihe nach.
    Die Alte sagte ihr:
    Â»Suche Onkel Kornil.«
    Das war alles.
    Dann hatte sie es plötzlich eilig und verschwand buchstäblich wie ein Blitz hinter ihrem früheren Haus.
    Nadja schaute verblüfft um die Ecke, ging noch um eine

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