Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
Vom Netzwerk:
Tanja keinen Tee bekommen, sondern eine Medizin, und ohne die hätte sie nicht mehr leben können und sich aus diesem Grund erhängt, denn sie wusste nicht mehr, wie bezahlen. Werka hinterließ eine kleine Tochter, dazu noch ohne Vater. Anisja, die Beziehungen nach Tarutino hatte, wusste zu berichten, dass die kleine Tochter bei der Großmutter lebte, und diese Großmutter war nach Anisjas triumphierender Auskunft genauso ein Prachtstück wie unsere Marfutka, nur dass sie außerdem noch soff, und so holte meine Mutter die Dreijährige, die schon völlig apathisch in ihrem alten Kinderwagen lag, zu uns. Mama kann nie genug kriegen, mein Vater spuckte Gift und Galle, das Mädchen pinkelte ins Bett, sprach nicht, der Rotz lief ihm in den Mund, es verstand kein Wort und weinte nachts stundenlang. Dieses nächtliche Geplärre machte bald allen das Leben zur Hölle, und mein Vater flüchtete in den Wald. Es war nichts zu machen, alles lief darauf hinaus, das Mädchen seiner liederlichen Großmutter zurückzugeben, als diese Großmutter Faina plötzlich selbst bei uns erschien, wankend, und für das Mädchen und den Kinderwagen Geld rausschinden wollte. Wortlos brachte meine Mutter ihr die Kleine vor die Tür, sauber und mit geschnittenen Haaren, zwar barfuß, jedoch im Kleidchen. Plötzlich fiel die kleine Lena meiner Mutter zu Füßen, ohne einen Schrei, wie eine Erwachsene, und krümmte sich, die nackten Füße meiner Mutter umklammernd. Die Großmutter brach in Tränen aus und ging ohne Lena und ohne den Kinderwagen von dannen, wahrscheinlich, um ihr Leben auszuhauchen. Im Gehen wankte sie und wischte sich mit den Fäusten die Tränen, doch wankte sie nicht vom Schnaps, sondern vor Entkräftung, wie mir später aufging. Ihre Wirtschaft war schon lange am Boden, und Werka hatte ja in der letzten Zeit überhaupt nichts mehr verdient. Wir selbst aßen ja fast nur noch gekochte Kräuter in den verschiedensten Variationen, meistens mit Pilzsuppe. Die Ziegenlämmer lebten schon lange bei meinem Vater, weit weg von dem ganzen Schlamassel, der Weg dorthin war völlig zugewachsen, zumal mein Vater im Hinblick auf künftige Zeiten mit der Karre immer einen anderen Weg einschlug. Lena blieb bei uns, wir gaben ihr von unserer Ziegenmilch ab und fütterten sie mit Beeren und unserer berühmten Pilzsuppe. Alles sah viel schlimmer aus, wenn wir an den Winter dachten. Wir besaßen weder Mehl noch Getreide, im ganzen Umkreis war nichts ausgesät worden, denn es gab seit Langem weder Benzin noch Ersatzteile, und die Pferde waren noch früher geschlachtet worden, so hatten wir nichts zum Pflügen. Mein Vater suchte die brachliegenden Felder nach liegen gebliebenen Ähren ab, aber vor ihm hatten schon andere gesucht, und das nicht nur einmal. So blieb für ihn nur wenig übrig, alles in allem ein kleines Säckchen Körner. Er hoffte, auf einer Lichtung im Wald nahe der Hütte Wintergetreide auszusäen, er erkundigte sich bei Anisja nach den Saatzeiten, und sie versprach ihm zu sagen, wann und wie man pflügen und säen muss. Den Spaten wollte sie nicht hergeben, einen Pflug aber gab es nirgends. Mein Vater bat sie, ihm einen aufzuzeichnen, und dann hämmerte er sich, ganz wie Robinson, das Gerät selber zusammen. Anisja konnte sich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, obwohl sie dereinst oft hinter Pflug und Kuh hergelaufen war. Meinen Vater hatte das Konstruktionsfieber gepackt, und er ging daran, das Fahrrad neu zu erfinden. Sein neues Los machte ihn glücklich, und er dachte keine Sekunde mehr an die Stadt, in der er viele Feinde zurückgelassen hatte, darunter auch seine Eltern – meine Großmutter und meinen Großvater, die ich nur in meiner früheren Kindheit gesehen hatte, später war alles in Streitereien untergegangen, wegen meiner Mutter und Großvaters Luxuswohnung, der Kuckuck soll sie holen mitsamt den Zimmerdecken, Klo und Küche. Es ist uns nicht vergönnt gewesen, darin zu wohnen, inzwischen aber hatte es meine Großeltern bestimmt dahingerafft. Wir hatten niemandem etwas gesagt, als wir aus der Stadt verschwanden, obwohl sich mein Vater lange auf die Abreise vorbereitet hatte, weshalb wir es ja auch zu einem ganzen Laster voller Säcke und Kisten gebracht hatten. Die Sachen waren alle billig gewesen und damals noch keine Mangelware. Mein Vater, ein weitsichtiger Mensch, hatte

Weitere Kostenlose Bücher