Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
weiterreden zu können.
Von ihrem GroÃvater väterlicherseits wusste Nadja fast gar nichts, angeblich war er verschollen â Kriege hatte es genug gegeben, in denen sich die Menschen, ob sie wollten oder nicht, gegenseitig umbrachten!
Du bekommst einen Befehl und erschlägst entweder jemanden oder wirst selbst erschlagen wegen Befehlsverweigerung.
»Mein GroÃvater, sein UrgroÃvater, war Soldat. Aber er ist ein Junge. Wieso ist er schuldig?«, murmelte Nadja gekränkt. »Dann soll lieber ich leiden, warum trifft es ausgerechnet ihn! Wer hat nicht alles schon einen anderen umgebracht?«
Onkel Kornil schwieg und lag da wie tot.
Ãber seine Stirn kroch ein lebendiger Blutstropfen.
»Oh«, sagte Nadja und schaute mit Schrecken auf die Blutspur.
Sie hätte das Blut abwischen müssen, aber womit, doch nicht mit dem Rock, dann hätte sie mit einem beschmierten Rock durch die Stadt gehen müssen. Das Taschentuch hielt Onkel Kornil in der Hand.
Ohne dieses Tuch würde er ihr nichts sagen.
Da wurde wieder gelacht.
Nadja wandte sich um und erblickte die grinsenden Fratzen der Leute am Tisch. Niemand beachtete sie.
»Ich habe keine Hoffnung mehr«, brach es plötzlich aus Nadja heraus. »Das weiÃt du selbst, Onkel Kornil.«
Die Zeit verrann.
Die Blutspur auf der Stirn trocknete.
Der Mann auf dem FuÃboden sah schrecklich aus, schmutzig, spindeldürr, er roch unangenehm. Wahrscheinlich war er schon tagelang nicht mehr aufgestanden.
Im Schrank ohne Tür lagen leere Flaschen.
Offenbar hatte dieser Kornil heute schon vielen Leuten gewahrsagt, was zu tun sei.
Und gewartet, dass man ihm nachschenkt.
Die Frau hatte ja gesagt, dass er ohne Flasche nicht spricht.
Nadja goss nach.
Mit dem vollen Glas in der Hand sagte sie:
»Du hast gefragt, was ich will. Ich will Glück für meinen Sohn. Mehr nicht.«
Sie verstummte schnell, als sie sich vorstellte, dass dieser abscheuliche Onkel Kornil ihrem Sohn gleich Glück prophezeihen sollte, für ihren Sohn bestand Glück aber in Saufgelagen, Partys, lustigem Leben und Motorrädern.
»Aber so, dass er lernt, dass er wieder zur Schule geht und lernt.«
Sie hielt wieder inne, nachdem ihr eingefallen war, dass ihr Sohn noch zwei Jahre zur Schule gehen würde, und diese zwei Jahre müsste sie wieder den Rücken krumm machen auf drei Stellen und ihn ernähren, aber sie hatte keine Kraft mehr.
»Er soll mich unterstützen«, sagte Nadja, »er soll auch was tun und Geld verdienen, er soll lernen zu arbeiten.«
Doch dann überlegte sie, dass er bald zur Armee muss und von dort in einem Zinksarg zurückkehrt, wie er selbst prophezeit hatte.
»Er soll studieren und nicht zur Armee gehen müssen«, sagte Nadja fest entschlossen.
Aber die Perspektive, noch sieben Jahre schuften zu müssen und vor jeder Prüfung nicht schlafen zu können, bereitete ihr ernste Sorge. Sie wusste, wie das ist, sie wurde jedes Mal wahnsinnig, wenn Wolodja nicht rechtzeitig nach Hause kam, weinte, schimpfte, wenn sie in die Schule zitiert wurde wegen seiner schlechten Noten, vergessenen Schulbücher, Schlägereien und Einträge im Hausaufgabenheft.
»So«, sagte sie schlieÃlich zu Onkel Kornil, »er soll ein guter Schüler sein und gut arbeiten, auf mich hören, rechtzeitig nach Hause kommen und ⦠keine Saufgelage und Partys mehr, nicht mehr seine Kumpel ⦠vor allem die Freundinnen nicht mehr ⦠die bringen ihn ins Gefängnis, und dann ist es aus! Wenn die liebe Sonne aufgeht, soll er aufstehen und gehen, und wenn er wiederkommt, alles tun und mir helfen â¦Â«
Da überlegte die arme Nadja plötzlich, dass es das Beste sei, ihr Söhnchen ist am Leben, ist gesund, lernt, verdient Geld, aber zu Hause soll er lieber nicht sein.
Wenn er zu Hause war, bedeutete das Krach, Musik, Unordnung, Telefongespräche bis in die Nacht, Essen im Stehen, wie ein Pferd, er schreit, wirft der Mutter Geiz vor, verlangt heulend Geld von ihr â¦
Ihr fiel ein, was sie wegen ihres einzigen Sohnes alles ertragen musste, und sagte bitter:
»Du sagst, ich sei eine Sünderin, doch wann soll ich sündigen? Wo? Ich lebe nicht für mich, nur für ihn ⦠Alles gebe ich ihm ⦠Ich zerbreche mir den Kopf, was ich für ihn kaufen kann. Was er anziehen kann. Was am billigsten ist. Ich habe gespart und gespart, und jetzt hat er das ganze Geld geklaut
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