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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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… Er soll nie wieder klauen … In unserer Familie hat nie jemand geklaut … Und er soll nicht trinken. Um seine Gesundheit ist es nicht gut bestellt, eine Allergie, chronische Bronchitis. Er soll an die Uni gehen. Und wenn er fertig ist, soll er ein nettes Mädchen heiraten. Und zu ihr ziehen. Er soll mit Gott gehen, aber endlich gehen. Jetzt ist er allein, aber mit zweien auf dem Hals … Und dazu noch ein Kind … Ich habe keine Kraft mehr … Die Psychiaterin hat mir geraten, ich soll selbst in Behandlung. Wann, wann soll ich mein eigenes Leben leben … Nur seinetwegen, buchstäblich nur seinetwegen weine ich Tag und Nacht. Was bin ich für eine Sünderin …«
    Sie kniete mit dem Glas in der Hand nieder, die Tränen flossen in Strömen über ihre Wangen, sodass sie nichts mehr sehen konnte.
    Â»Mach, dass ein Wunder geschieht, Onkel Kornil«, sagte sie. »Ich bin keine Sünderin, auf mir lastet keine Sünde. Hilf mir. Mach irgendwas, ich weiß nicht, was. Ich bin schon ganz durcheinander.«
    Onkel Kornil lag unbeweglich da und atmete kaum noch.
    Nadja hielt vorsichtig das volle Glas an seine halbgeöffneten Lippen und überlegte, wie sie am besten den Wodka in seinen Mund gießen könnte, ohne dass ein Tropfen danebenging.
    Sie müsste seinen Kopf hochheben, dann würde es gehen.
    Alles geschah so, wie sie es wollte – mit der einen Hand stützte sie den Hinterkopf von Onkel Kornil, mit der anderen führte sie das Glas an die schmalen, ausgetrockneten Lippen.
    Dabei weinte sie heiße Tränen, damit ihre Bitten, sie wusste selbst nicht, welche, in Erfüllung gingen.
    Â»Jetzt trinken wir ein Schlückchen …«, murmelte sie fürsorglich. »Dann wird alles gut.«
    Im selben Augenblick öffneten sich seine Augen wie bei einem Toten, Nadja kannte diesen starren Blick, der in eine Ecke der Decke gerichtet war, wo etwas sehr Wichtiges zu sein schien.
    Sie begriff, dass sich ihre Erwartungen nicht erfüllen, dass Onkel Kornil jeden Moment sterben könnte, ohne etwas getan zu haben.
    Ihre letzte Hoffnung war der Wodka.
    Wenn sie es schaffte, diesen Wodka in ihn zu gießen, würde er vielleicht für kurze Zeit wieder lebendig werden – danach könnte er ruhig sterben, er hatte ja selbst gesagt, noch ein Glas, und es ist zu Ende.
    Aber dieses Glas, sie hatte es noch nicht in ihn gekippt!
    So was, Onkel Kornil hatte es doch versprochen!
    Für die anderen hatte er alles gemacht, für sie gar nichts. Massen von Flaschen lagen im Schrank, von denen, die vor ihr da waren.
    Im selben Augenblick fingen die Männer mit verschiedenen Stimmen zu reden an:
    Â»Ach, da kommt die Andrejewna angewackelt, da ist sie ja … Macht der Andrejewna auf, der Andrejewna. Onkel Kornil, deine Mutter naht. Oh, sie hat die Flasche gerochen …«
    Im Fenster tauchte das Gesicht einer Frau auf.
    Nadja erstarrte verwirrt mit dem Glas in der Hand.
    Sie musste die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen, solange Kornils Mutter sie nicht erwischt hatte.
    Â»Immer ist es so«, dachte Nadja, »die anderen schaffen’s, nur ich nicht.«
    Auf ihrer Hand lag der schwere Kopf des Sterbenden, der unverwandt zur Decke blickte.
    Â»Onkel Kornil«, rief Nadja. »Lieber Onkel Kornil, trink doch bitte!«
    Sein Mund war weit geöffnet, der Unterkiefer hing kraftlos herab.
    Schon wurde an die Tür geklopft, jemand ging öffnen.
    Â»Wenn ich nur nichts verschütte«, dachte Nadja fieberhaft, »sonst ist alles zum Teufel.«
    Aus irgendeinem Grund dachte sie, wenn kein Tropfen danebenginge, erfüllten sich ihre Wünsche.
    Dann wäre diese Fron tagaus, tagein vorbei.
    Sie hob Onkel Kornils Kopf noch höher.
    Â»So, jetzt trinken wir ein Schlückchen«, murmelte Nadja und presste den Rand des vollen Glases an seinen Mund. »Ham!«
    So hatte sie ihr kleines Söhnchen mit Milch gefüttert.
    Das war auf dem Lande gewesen, wo sie lebten, als Wolodja noch ein Kind war und ihr Mann am Wochenende immer zu ihnen kam …
    Wolodja hatte seinen kleinen Mund mit den beiden Zähnen immer so ungeschickt aufgerissen und die Milch verschüttet.
    Da knallte die Tür zu, und eine laute, betrunkene Frauenstimme war zu hören:
    Â»Was zu saufen da, Chroniker?«
    Â»Das ist seine Mutter«, dachte Nadja erschrocken. »Ich hab’s nicht geschafft.«
    Das Glas in ihrer Hand fing an zu

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