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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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kompliziert geworden, denn er sollte der Blondine zum Aufstieg verhelfen, und ihr stand eine Gehaltserhöhung zu, die sie aber nicht bekam wegen Einspruchs der lieben Kollegen. Aus Protest verließ der Mann das Institut und versprach der Blondine, sie irgendwann nachzuholen.
    Seine Frau aber verstand nichts und strahlte erleichtert, und im Haus war Feiertag, und es wurden Piroggen gebacken, weil der Mann die andere endlich verlassen hatte, aber das Foto hing immer noch dort.
    Der Mann hatte sich gut an seinem neuen Arbeitsplatz eingerichtet, die Kinder wuchsen heran, sportlich und diszipliniert, wie das oft der Fall ist, wenn dem Vater gehuldigt wird. Das Wort des Vaters war Gesetz, und so gingen sie auch als geschlossene Formation spazieren: der Vater voran, die Kinder Schulter an Schulter hinterher, und zum Schluss die unauffällige Glucke, die die Familie aus der Distanz dirigierte. Es war eine Freude, sie anzuschauen, doch das Foto der Beine hing immer noch an seinem Platz.
    Die Mutter der Familie wartete so lange, bis der Sohn, der Jüngere, mit dem Studium begann, dann kapitulierte sie völlig, wie einst ihre Mutter. Eines Abends brach sie, in der Küche stehend, vor aller Augen zusammen, begann zu röcheln, und röchelte, ins Krankenhaus gebracht, drei Tage. Die disziplinierte und arbeitsame Familie organisierte sich neu, es wurde ein Dienstplan erstellt, und alte Freunde und die Verwandtschaft schalteten sich ein, die ehemaligen und immer noch treuen Studenten. So zog der Mann seine Frau aus dem sicheren Grab, aus dem Tod und dem Vergessen. Als sie nach Hause gebracht wurde, war sie bereits eine kleine alte Frau, bewegte nur noch ein bisschen den rechten Arm, brachte unverständliche Worte hervor, und alle naselang strömten Tränen aus ihren Augen. Es war, als entschuldigte sie sich mit ihrer ganzen Erscheinung für diese Situation, als entschuldigte sie sich für das ganze vergangene Leben, dafür, dass sie ihrem Gott nichts hatte bieten können und nun auch noch lahm und krank war und ihn mit hineingezogen hatte. Mit der Zeit gewöhnte sich die Familie an die Last, obwohl sie manchmal böse wurden und einander anschrien: immer diese Pfannen unterschieben, die tägliche Körperwäsche, die wund gelegenen Stellen und die Gedanken, die unwillkürlich kamen: Wie viele Jahre würde sich das noch hinziehen, diese tierische oder pflanzliche Existenz – diese Gedanken waren quälend. Der Mann jedoch schien auf einmal zur Ruhe gekommen zu sein, seine Seele war irgendwie friedlich, alle Handgriffe, die er für seine Frau erledigte, führte er leicht, geduldig und mit sanfter Stimme aus. Nur die Kinder schrien die Mutter an, sie fühlten sich unsicher, sie hatten sie verloren, das heißt das Fundament und die Stütze, und sie hatten sich in schwache Eltern ihrer eigenen Mutter verwandelt, sie fühlten, dass hier etwas nicht stimmte, sie waren ohne Perspektive, genauer gesagt, es gab eine, aber die war schrecklich. Die Kinder beschuldigten einander, stellten sich gegenseitig bloß, was für ein Jammer, vor der Mutter! Aber ihr Eifer erlosch nicht, ihre Patientin lag sauber und frisch im Bett, sie legten ihr ein kleines Radio unters Ohr und lasen ihr manchmal vor, aber sie weinte oft aus unerfindlichen Gründen, und versuchte etwas mit ihren Stimmbändern zu sagen, ohne Zunge.
    In der Nacht, als sie starb und weggebracht wurde, fiel der Mann wie ein Stein ins Bett. Im Schlaf hörte er plötzlich, dass sie neben ihm war, ihren Kopf auf sein Kissen legte und sagte: »Mein Liebster«, und er schlief glücklich weiter und war ruhig und stolz auf der Beerdigung, obwohl er stark abgenommen hatte. Er war aufrichtig und standhaft, und bei der Trauerfeier zu Hause erzählte er vor allen Anwesenden, dass sie zu ihm »Mein Liebster« gesagt hatte. Und alle verstummten, denn sie wussten, dass das die reine Wahrheit war – und das Foto der Blondine hing nicht mehr an der Wand. Das Foto war aus seinem Leben verschwunden, all das hatte sich in Luft aufgelöst und war in diesem Moment uninteressant geworden, und er zeigte bei Tisch kleine, verblasste Familienfotos von der Frau und den Kindern herum – all diese Ausflüge, die sie ohne ihn unternommen hatten, all die Vergnügungen, ärmlich, aber glücklich, in den Parks und Planetarien, die sie für die Kinder organisiert hatte, all die Versuche, ein Leben auf dem Bisschen

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