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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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Schenja in ihrem Winterkleid mit den langen Ärmeln für immer aus der Stadt weg, und seitdem hat sie nicht mehr auf die Mutter gewartet und sie auch nicht mehr in Irrenhäusern und Gefängnissen gesucht. Die Ohrringe jedoch hat sie bis heute nie wieder abgenommen.

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    Zwei Reiche
    Am Anfang flogen sie durch das absolute himmlische Paradies, wie man es sich vorstellt, durch eine blendend himmelblaue Landschaft, über dichten, gekräuselten Wolken. Die Stewardess war keine russische, sondern schon eine von dort, in einem wunderbaren weißen Leinenkostüm ohne Knöpfe, sie servierte vorzugsweise fremdartig schmeckende Getränke. Die erschöpften Passagiere dämmerten allesamt vor sich hin, und als Sweta durch das ganze Flugzeug in den Heckteil ging, frappierte sie die einheitlich gelbe Gesichtsfarbe der Passagiere und ihre einheitlichen schwarzen Frisuren. Sie bekam sogar Angst, es war, als würde ein Soldatenregiment von einem Ort zum anderen transportiert, alle schliefen sie, erschöpft zurückgelehnt, die dunklen, trocknen Münder leicht geöffnet. Vielleicht war es auch das gesamte Botschaftspersonal eines fernen, südlichen Landes.
    Dann kam die Nacht. Sweta war noch nie so lange und so weit geflogen, sie verbrachte einen Teil der Nacht auf der Toilette, wo sie durch das gewölbte Fenster schaute. Dort waren Sterne zu sehen, oben, an den Seiten und tief unten, wo man sie tatsächlich mit den matt leuchtenden Lichtern von Siedlungen verwechseln konnte. Die in der nächtlichen Finsternis, unter einer großen Sternenzahl einsam dahineilende menschliche Seele betrachtete mit Begeisterung sich selbst im Zentrum des Weltalls, unter flimmernden, großen, samtigen Gestirnen in absoluter Finsternis. Allein unter Sternen! Sweta musste sogar weinen. Es fiel ihr schon schwer, sich an die Stunde des Abschieds von der Familie, der Heimat zu erinnern, all das vermischte sich bei ihr zu einem einzigen, ermüdenden Knäuel, der sich auf keine Weise entwirren ließ, was war zuerst gewesen und was später. Das wundersame Erscheinen von Wasja mit Flugtickets und der Heiratserlaubnis, irgendwelche komplizierten Formalitäten, die Tränen ihrer Mutter, als die Krankenschwestern Sweta das weiße Kleid anzogen und sie auf einer Trage mit dem Fahrstuhl hinunterschickten, und dort nahm Wasja sie auf den Arm und trug sie ins Auto. Entweder hatte Sweta das Bewusstsein verloren, oder das Auto hatte sie in den Schlaf gewiegt, jedenfalls erinnerte sie sich an alles Geschehene wie an einen Traum: die dumme Musik, die verwunderten, entsetzten Menschen zu beiden Seiten, das Glas, in dem sich der bärtige Wasja spiegelte und sie selbst, grau, abgehärmt, ganz in weißen Spitzen, mit eingefallenen Augen. Wasja brachte Sweta mit dem Flugzeug zur Behandlung. Vor der Abreise war die geplante Operation anscheinend doch noch durchgeführt worden, und an alles, was nach der Operation geschah, konnte Sweta sich schon nicht mehr erinnern. Das wie mit einem Kissen erstickte Wehklagen ihrer Mutter, das Weinen ihres Sohnes, den die Musik, die Blumen und wahrscheinlich Swetas Gesicht erschreckt hatten; er weinte, wie erschrockene Kinder immer weinen, die mit ansehen müssen, wie ihre Mutter geschlagen oder von ihnen getrennt und weggeführt wird; er winselte laut und verzweifelt. Er war zu klein, man musste ihn bei der Großmutter lassen, denn Sweta stand eine weitere Operation bevor, in einer fremden Stadt, in einem fremden Land und mit einem neuen Mann, mit diesem wer weiß woher aufgetauchten bärtigen Wasja.
    Dieser Wasja war überhaupt ein Mythos, er erschien einmal im Jahr, tauchte irgendwo in der Menge auf, küsste Sweta die Hand, die er in seiner kühlen, großen Hand hielt, versprach ihr goldene Berge und eine Zukunft für ihren Sohn – doch nicht sofort, sondern bald. Später. Jetzt, in diesem Moment der Begegnung, war es noch nicht möglich. Aber später – er versprach, sie und ihren kleinen Sohn, und auch die Mama, in ein Paradies auf Erden zu bringen, irgendwo weit weg am Ufer eines warmen Meeres, zwischen Marmorsäulen und beinahe elfenhaften Wesen, kurz, sie erwartete das Schicksal Däumelinchens. Und später, als Sweta mit ihren siebenunddreißig Jahren ernsthaft erkrankt war, tauchte dieser Wasja öfter auf, er brachte Trost, besuchte sie nach ihrer ersten Operation – er kam, wie rührend, gleich auf die Intensivstation, als

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