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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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Sweta ihre Seele Gott anvertraute, als sie am Tropf hing und auf ihren dünnen und durchsichtigen Arm herabsah. Er konnte sich einschmuggeln in seiner weißen, kittelartigen Kleidung (er trug überhaupt sehr gern weiße Sachen), das Einzige war, dass er barfuß ging, doch das merkte niemand. Als er sah, in welchem Zustand Sweta war und was sie ihr für eine Naht gemacht hatten, wollte er sie gleich von dort mitnehmen. Aber da kam die erschrockene Nachtschwester angerannt, jagte Wasja weg und gab Sweta noch eine Spritze, sie rief den Arzt, und Wasja verschwand für lange. Das nächste Mal kam er wieder gleich ins Krankenhaus, erklärte alles, sagte, ihre Mutter sei einverstanden, sie und das Kind kämen später nach, er lasse ihnen alles Nötige da, doch Sweta müsse er gleich mitnehmen, denn es sei keine Zeit zu verlieren. In jenem Land, wo dieser Wasja jetzt lebte, konnte man Swetas Krankheit behandeln, man hatte einen Impfstoff gefunden und so weiter. Sweta war es, kurz gesagt, gleichgültig, sie widersetzte sich beim zweiten Mal kaum, weder der Krankheit noch dem Tod. Sie stand unter starken Narkotika, sie schwamm wie im Nebel. Sogar die Gedanken an ihren Jungen, an Serjoschenka, quälten sie nicht so sehr. »Und wenn ich gestorben wäre«, sagte sich Sweta, »wäre es dann besser gewesen? So kann ich noch ein bisschen leben und nehme die beiden später zu mir.«
    Wasja erledigte also alle Formalitäten, obwohl die Ärzte auf der Operation bestanden, ohne Operation würde die Kranke keine vierundzwanzig Stunden überstehen. Wasja also wartete die Operation ab, erledigte alle Formalitäten und erschien wieder gleich auf der Intensivstation, um Sweta zu holen. Sie schoben sie vorsichtig hinaus, zogen sie um, worauf sie nicht mehr sehen und hören konnte, und dann erwachte sie bereits als Fliegende, den blauen Himmel und die Wüste des grenzenlosen, flauschigen Wolkenfelds unter dem Flugzeug vor Augen. Sweta wunderte sich sehr, als sie sah, dass Wasja neben ihr saß und dass sie selbst einen leichten, prickelnden Wein aus einem Pokal trank. Dann stand sie sogar auf – Wasja schlief, erschöpft von all den Mühen – und ging mit erstaunlich leichtem Schritt durchs Flugzeug. Nichts tat ihr weh – offenbar hatte man ihr bereits etwas Ausländisches, Schmerzstillendes gespritzt.
    Das Flugzeug raste in geringer Höhe über eine wunderschöne, wie ein großes Modell sich ausbreitende Stadt mit einem schimmernden Fluss, Brücken und einer riesigen Spielzeugkathedrale. Das sah ganz nach Paris aus! Und da setzte auch schon das Dröhnen der Landung ein, das Flugzeug fuhr mit seiner stumpfen Nase, so breit wie ein Hotelfenster, ratternd und ruckelnd wie ein Fuhrwerk, buchstäblich in einen stillen Garten. Das Fenster war eine Tür und führte auf eine Terrasse, in der Ferne flimmerte eine Flusswindung mit Brücken und irgendein Triumphbogen.
    Â»Place Pigalle«, sagte Sweta aus irgendeinem Grund zu Wasja. »Schau!«
    Wasja öffnete die Terrassentür, und es begann ein märchenhaftes Leben.
    Allein, Sweta durfte vorerst noch nicht laufen, obwohl die Behandlung begonnen hatte und Erfolg zeigte. Wasja ging fort und blieb ganze Tage verschwunden. Er verbot Sweta nichts, doch es war klar, dass der Fluss und die Kathedrale und jene wunderbare Stadt noch sehr weit fort waren. Vorläufig hatte sie erst angefangen, ein wenig aus dem Haus zu gehen, durch eine einzige Straße zu spazieren, denn ihre Kräfte waren noch gering.
    Hier, so bemerkte sie, waren alle wie Wasja gekleidet, wie die schönsten Blumenkinder, die sie in ausländischen Filmen gesehen hatte. Lange Haare, wunderbare schmale Hände, weiße Kleider, sogar kleine Kränze. In den Läden gab es zwar alles, wovon man nur träumen konnte, aber erstens hatte Wasja ihr kein Geld dagelassen – das schluckte anscheinend alles die Behandlung, die sicher sehr teuer war. Zweitens konnte man von hier keine Päckchen schicken, und aus irgendeinem Grund nicht einmal Briefe. Hier schrieb man nicht! Nirgends ein Stück Papier, nirgends ein Kugelschreiber. Es gab buchstäblich keinerlei Verbindung nach draußen – möglicherweise war Sweta in eine Art Quarantäne, eine Übergangszeit geraten.
    Dort, jenseits des Flusses, sah sie das brodelnde, wirkliche Leben einer reichen, ausländischen Stadt. Hier gab es auch alles – Restaurants,

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