Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte
dunkelhäutig, »Schwarzärsche«, wie man sie dort nannte, Schenja kannte sie nicht, und sie kannten Schenja nicht, sie waren in den drei Jahren, die Schenja fort war, herangewachsen. Sie hielten sie für eine Fremde. Sie stopften ihr einen Knebel in den Mund, drehten ihr die Arme auf den Rücken und führten sie weg, genau nach dem beschriebenen Szenario. Schenja ging vornüber gebeugt, sie stolperte und strauchelte, sie setzten ihr ein Messer unters Schulterblatt. Die drei unterhielten sich in ihrer Sprache, einiges verstand Schenja, im Städtchen nannten sie sich Griechen, aber es waren keine Griechen. Schenja begriff, dass sie sich unterwegs darum stritten, wer zuerst drankäme, denn der eine warf dem anderen vor, er hätte eine üble Krankheit. Sie schrien sich in der nächtlichen Dunkelheit an, fluchten auf Russisch und stieÃen die stolpernde, gekrümmte Schenja vorwärts, als plötzlich ringsum alles hell wurde. Als hätte man einen Scheinwerfer eingeschaltet. Die drei blieben stehen und lieÃen Schenja für einen Augenblick los, und als Schenja von ferne eine beleuchtete Baustelle sah und einen alten Mann und eine Frau inmitten der aufgehäuften Steine, stürzte sie, so schnell sie konnte, zu ihnen, riss sich den Knebel aus dem Mund und schrie: »Schlagt mich tot! Schlagt mich tot!« Sie stand neben dem Alten, streckte ihm die geschwollenen Arme entgegen und schrie: »Schlagt mich tot, aber überlasst mich nicht denen da!«
Die drei riefen entrüstet auf Russisch, sie sei eine Hure und ihnen verpflichtet, sie hätten bezahlt!
Der Alte schickte die Jungen mit einer unzweideutigen Geste zum Teufel, er sagte ihnen in ihrer Sprache »haut ab«, und als sie die eigene Sprache hörten, machten sie wie Soldaten kehrt und verschwanden in der nächtlichen Dunkelheit.
Der Alte sagte zu Schenja, er bringe sie ins Haus, die Frau blieb auf der Baustelle, und Schenja sah nur flüchtig ihren gebeugten Kopf und dachte, wie ähnlich sie doch der Mutter sieht. Schenja fürchtete sich wegzugehen, aber der Alte war schon losgegangen, und so musste auch sie gehen. Der Alte führte sie zu einem Haus, Schenja konnte in der dunklen Nacht nichts erkennen, und als sie in das Zimmerchen trat, klein wie eine Abstellkammer, hörte sie, dass der Alte hinter ihr die Tür abschloss und wegging. Schenja setzte sich auf den FuÃboden, dann befühlte sie die raue, rissige Wand, lehnte sich an und schlief ein.
Als sie am Morgen zu sich kam, lehnte sie mit dem Rücken am rauen Stamm einer Pappel, und ringsum war einsame, unkrautüberwucherte Ãdnis.
Schenja rannte los, ohne irgendetwas wiederzuerkennen, schlieÃlich fand sie den Weg nach Hause und legte sich in der Scheune schlafen. Es war früh am Morgen. Der GroÃmutter sagte sie, sie hätte bei ihrer Freundin übernachtet, denn sie hätte sich gefürchtet, nach Hause zu gehen. AuÃerdem sagte Schenja, sie werde versuchen, schon heute zu fahren. Die GroÃmutter begriff offenbar alles, Schenjas Arme waren dick geschwollen und voller blauer Flecken, ein Mundwinkel war eingerissen.
Die GroÃmutter sagte, sie habe diese Nacht nicht geschlafen, sie habe in alten Sachen gekramt und in der Truhe Ohrringe von ihrer Tochter und eine Ikone gefunden, noch von ihrer GroÃmutter, und das alles möchte sie Schenja geben.
Schenja steckte die Ohrringe der Mutter an, genau die gleichen wie die unlängst abgelegten, nahm die Ikone, packte ihre armseligen Siebensachen und ging zum Bahnhof. Sie wollte mit Absicht an jener Baustelle vorbeigehen, um den alten Mann und die Frau zu sehen, die ihrer Mutter so ähnlich war, doch sie fand nichts dergleichen. Weder die Baustelle noch die Ãdnis, es war helllichter Tag, ringsum Häuser und Gärten.
Die GroÃmutter, die sie begleitete, fragte mit keiner Silbe, warum Schenja nicht zum Bahnhof ging, sondern in die andere Richtung, zur Müllkippe, doch Schenja sagte plötzlich, sie glaube, irgendwo hier müsse das Grab der Mutter sein, man müsse bei der Pappel auf dem freien Platz suchen.
Die GroÃmutter warf ein, dass ihre Tochter in einer ganz anderen Stadt verschwunden sei, doch Schenja hörte ihr nicht zu, sondern suchte immer weiter nach der Pappel und setzte sich schlieÃlich an der erstbesten auf die Erde, lehnte sich an den Stamm und brach in lautes Schluchzen aus.
So saÃen sie einige Zeit und weinten, und dann fuhr
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