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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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so wie in der Leningrader Blockade ’41. Im Einbauschrank ist die gesammelte Armut zusammengepresst, und im Kleiderschrank das jetzige Leben. Na dann, alles raus aus dem Schrank und hinein in den Sack!
    Draußen ist es dunkel geworden, und die M-T wuchtet den Kartoffelsack zum Fenster und wirft ihn hinaus. Pullover, Kleider, eine Jacke, ein Mantel. Unterwäsche. Schals, Handschuhe, Mützen, eine Baskenmütze, ein Hut, Gürtel, Kopftücher. Heile dicke Winterstrumpfhosen. Hosen. Drei Wollpullover. Zwei weite Röcke, ein langer Wickelrock. Danach saubere, frische Bettwäsche, die nach guter Seife riecht. Alle Handtücher. Kissenbezüge und Laken, Bettbezüge, eins davon bestickt. Mein Gott. Aber immerhin gefeit vor Feuer.
    Dem schweren Sack folgt durch das offene Fenster ein goldgerahmtes Bild von der Wand und drei Stühle, einer nach dem anderen.
    Unten ruft jemand, schimpft, flucht, das dumpfe Geschrei eines Mannes.
    Schnell das Fenster zu. Fertig.
    Zum Anziehen hat sie nun nichts mehr, nur den Morgenrock und darunter Nachthemd und Schlüpfer.
    Sie legt sich aufs Sofa, die alten Fernsehprogramme unter sich gebettet. Decke und Kopfkissen liegen im kleinen Zimmer wie Erdbebenopfer. Mit neuen Reklamebeilagen deckt sie sich zu.
    Am nächsten Morgen überlegt die M-T, gut ausgeschlafen, dass sie nun nichts mehr fürchtet, rein gar nichts mehr, und sie findet es nicht mal mehr schrecklich, das ganze bisherige Leben aufzugeben, die Gewohnheiten, das Dach überm Kopf.
    Es beginnt der allmähliche Rückzug aus der Wohnung. Sich noch einmal umschauend, tritt die M-T über die Schwelle und vergisst den Schlüssel in der kleinen Tasche auf dem Tisch. Aber sie hat nicht vergessen, die Katze ins Treppenhaus zu lassen.
    Sie hätte sie auch einschließen können, aber die Katze stellt (bestimmt) keinen großen Wert dar und hat es nicht verdient, dem Monster in den Rachen geworfen zu werden. Die Opferung eines lebenden Wesens ist irgendwie nicht vorgesehen. Die M-T schadet sich selbst. Aber es fragt sich: Wem schadet es mehr – dem Kätzchen oder der M-T, wenn die M-T ein neues Leben ohne alles anfängt, aber ständig das immer leiser werdende Miauen der fast toten, eingeschlossenen Ljalja hört. Die M-T hat sich selbst davon überzeugt, dass es die Katze wäre, die das größere Opfer bringt. Wer braucht sie schon und ihre Hungerqualen. Ein unbedeutendes Tier, vom Baum runtergeholt.
    Die Mutter-Tochter hat diesen Gedanken beiseitegeschoben und seelenruhig beschlossen, die Katze rauszuscheuchen. Doch da ist es zu einem Zwischenfall gekommen, zu einer komischen Geschichte. Die M-T ist fähig zum Leben in Freiheit, die Katze hingegen nicht. Als die M-T die Katze hochgenommen hat, um rauszugehen, hat die Katze zu vibrieren begonnen, wie ein kochender Teekessel. Wie eine Regionalbahn vor der Abfahrt. Wie ein schwer krankes Kind bei Schüttelfrost. Sie hat offenbar aus Angst um ihr Leben gezittert.
    Â»Was ist los«, flötet die M-T. »Wovor fürchtest du dich? Schon gut, schon gut. Du wolltest doch immer raus. Nun geh! Solange du noch am Leben bist!«
    Richtig, die Katze hat immer ins Treppenhaus gewollt, hat neben der Wohnungstür gelauert und ist einem mit ihrem heiseren Miauen auf die Nerven gegangen. Nächtelang hat sie geschrien. Aber sie rauszulassen war zu gefährlich, sie wäre vielleicht nicht mehr zurückgekommen. Die M-T hat das Tier immerhin geliebt. Auch wenn das im Moment nicht danach aussieht.
    Fröhlich, lebhaft lässt sie im Treppenhaus die Katze vom Arm und schlägt die Tür hinter sich zu, das war’s!
    In Morgenrock und Latschen steht sie auf dem Gipfel ihres Schicksals, das Monster ist besiegt. Hier draußen kann Es toben und tollen, so viel Es will, in dieser riesigen, weiten Welt.
    Die Katze sitzt schwer getroffen auf ihrem Schwanz. Sie macht einen Buckel und sinnt über irgendwas nach. Die Frau, die bereits eine halbe Treppe tiefer steht, dreht sich noch einmal um und schaut nach oben. Die Katze starrt vor sich hin, ihre Augen sehen ganz weiß aus, als hätte sie den weißen Star, die Pupillen haben sich in winzige Körnchen verwandelt, versunken in einer grünlichen Masse, die die Augenhöhle ausfüllt. Das Schnäuzchen sieht aus wie geleckt. Der kleine Schädel reckt sich plötzlich nach oben und zeichnet sich spitz unter dem schwarzen Fell ab. Auf der Treppe sitzt der Tod, mit

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