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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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wider.
    Die Frau rennt hin und erstarrt. Das Regal mit den Schallplatten ist von der Wand gekracht. Die Schallplatten sind im ganzen Zimmer verstreut, liegen als staubiger Fächer auf dem ungemachten Couchbett und dem Fußboden. Wenn dort jemand geschlafen hätte (wer, ist klar), hätte ihn eine Kante des Regals genau an der Schläfe getroffen. Aber das ist nicht passiert. Nun sind in der Wand zwei dunkle Risswunden, die Nägel sind rausgefallen, die früher jemand reingeklopft hat, lieber nicht dran denken. Eigentlich nicht Nägel, diese Dinger werden irgendwie anders genannt. Das ist damals eine richtige Heldentat gewesen, fast eine große Liebesgeschichte. Ein Drillbohrer war mit im Spiel.
    Schließlich waren diese Nicht-Nägel endlich drin, und jetzt ist alles zusammengebrochen.
    Das Regal ist auf das Klavier gekracht, daher also das Donnergetöse mit einer Resonanz wie in den Bergen.
    Das Klavier ist auch so eine Geschichte für sich, ein kleines Mädchen hat darauf spielen gelernt. Die Mutter hatte darauf bestanden. Sie zwang das Mädchen, setzte es davor. Nichts ist draus geworden. Der Starrsinn hat gesiegt. Der Starrsinn, mit dem sich der Mensch gegen einen fremden Willen wehrt. Sein Leben behauptet. Auch wenn dieses Leben schlechter verläuft, als es jemand anderes vorgesehen hat, ärmer, immerhin ist es das eigene, egal, wie, dann eben ohne Musik, ohne Talent. Ohne Konzertauftritte für die Verwandtschaft. Aber auch ohne überflüssigen Kummer, dass jemand anderes besser spielt. Die Mutter hat sehr darunter gelitten, dass andere Kinder angeblich begabter als ihre Tochter waren. Das hat die Tochter häufig zu hören bekommen und sich an der Mutter gerächt, indem sie völlig unnütz geworden ist, eine Tatsache, die sich beide freimütig eingestanden haben.
    Dann hatte sich alles in Luft aufgelöst, diese gegenseitige Abhängigkeit von Mutter und Kind, nur das Klavier und die alten Schallplatten sind übrig geblieben. Die Mutter hatte eine Sammlung klassischer Musik. Am Telefon hat sie das Leben ihrer Tochter breitgetreten, Geheimnisse ausgeplaudert wie den letzten Dreck. Jetzt gab es keine Mutter mehr noch Tochter noch Regal. Nur eine Frau, die auf der Schwelle steht, gelähmt vom Bild der Zerstörung. Auf dem Couchbett kann nicht mehr geschlafen werden, alles kaputt, voller Staub und schmutzig. Die Wäsche müsste gewechselt werden. Gewischt, gewaschen, alles aufgeräumt werden (wohin?).
    Die Frau zieht sich ins große Zimmer zurück, sie schließt die Tür zum kleinen Zimmer, als sei es für immer.
    Wenn man wenigstens den ekelhaften, halb sichtbaren Schwanz dieses Ungetüms zu fassen kriegen könnte, das all diese Sachen angerichtet hat. Aber was würde das ändern? Man würde vor Entsetzen und Abscheu umkommen. Dieses Ungetüm ist nicht totzukriegen, nicht mit dem Absatz zu zerquetschen. Also ist fangen sinnlos.
    Der da alles zerstört, der hat was im Sinn, der will was erreichen. Wie damals die Mutter mit der Tochter was erreichen wollte. Wenn man rauskriegt, was dieses Monster erreichen will, dann kann man Ihm sein Interesse verleiden, Ihm seine Übermacht nehmen. Es gibt da so eine Methode – einer Gefahr direkt entgegengehen. So wie man im Wald einen Brand bekämpft, indem man einen zweiten legt, und wenn beide aufeinandertreffen, verlöschen sie.
    So hat die Mutter früher ein deutsches Kaffeeservice wie ihren Augapfel gehütet, entweder für schlechte Zeiten oder als Sparanlage für die Beerdigung, und als die Tochter in einem Wutanfall eine Tasse auf den Boden schmiss (peng!), da schmetterte die Mutter kaltblütig das ganze Service, ein Ding nach dem andern, mit Schwung auf den Boden (pong!). Die Tochter wäre fast übergeschnappt, sie raufte sich die Haare, und die Mutter sagte: »Wenn ich sterbe, dann sollst du auch nichts haben.«
    Nun fragt sich: Will das Ungeheuer die völlige Zerstörung oder die Frau einfach nur aus der Wohnung ekeln?
    Aus der Wohnung kann sie nicht. Wohin? Vielleicht möchte sogar jemand zurückkommen (denkt die Mutter-Tochter). Also bleibt ihr nur zu bleiben, doch wenn das Monster alles zerrütten will, muss Es aus eigener Kraft überwunden werden. Muss auf Es reagiert werden wie Kutusow auf Napoleon, damit es Ihm ungemütlich wird in seiner Stellung. Ein weiser Entschluss. Es wird überrumpelt.
    Sich dazu aufzuraffen ist anfangs schwer,

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