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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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retten. Die Frau wirbelt herum, stellt das Regal aufs Klavier, schiebt die Schallplatten hinein, schafft die Bettwäsche ins Bad, spült sie schnell durch und hängt sie auf. An Handtüchern finden sich zum Glück noch ein Küchenhandtuch am Haken und zwei überm Heizungsrohr im Bad.
    Â»Halb so schlimm!«, flüstert sie der Katze zu. »Wir boxen uns schon durch!«
    Damit nicht genug, findet sie gleich noch einen Schraubenzieher und zieht die Schrauben fest (zum Glück hat sie sie nicht weggeworfen), und klappt das Couchbett schnell zusammen, mit der Lehne nach oben.
    Geschafft!
    Wie leicht ist etwas zu zerstören, und wie hart ist es, alles wiederherzustellen, Ordnung zu schaffen. Wie schwer fällt es einem, sich zu bücken, in die Ecken zu kriechen, die Scherben aufzulesen, den Müll rauszubringen, die Schrauben reinzudrehen! Am schlimmsten ist es mit dem Fernsehapparat. Die Frau muss die Dunkelheit abwarten und ihn unter großer Anstrengung aus dem Fenster werfen, um dann unten das Gerippe auf das Wägelchen zu hieven und zum Müllcontainer zu schieben.
    Als ob über ihr friedliches Leben ein Krieg hereingebrochen wäre.
    Leer sieht es aus im Wohnzimmer ohne Stühle und Fernseher.
    Aber der Mensch kann auf alles verzichten, wenn er überlebt. Fernsehen kann sie nun nicht mehr, aber dafür tritt aus dem Dunkel ein ganzer Bücherschrank hervor, die M-T legt eine Platte auf, die sie früher besonders mochte, alte Tangos!
    Während die Musik läuft, packt sie Rucksäcke und Koffer mit alten Klamotten aus. Ihr ganzes Leben läuft vor ihr ab wie ein Film. Die geliebten Schatten werden lebendig und umgeben sie, obwohl ihr von den alten Sachen kaum mehr was passt, vom Sitzen vor der Kiste ist sie offenbar in die Breite gegangen. Wunderbar. Sie findet noch Stoffreste, unten im Schrank steht die alte Nähmaschine, einen Rock kann sie sich irgendwie zusammenschustern zu den alten Strickpullis, die ihr noch passen.
    Zumal die M-T schon seit Langem nur noch die ältesten Sachen trägt, die sauberen und fast neuen Kleider hat sie für besondere Gelegenheiten aufgehoben, falls sie mal unter Leute geht (aber dieser Fall ist nie eingetreten).
    Bei dieser Gelegenheit packt die M-T gleich noch einen Sack mit Lumpen und alten Latschen, weil ihr wieder die schwarzen Schatten einfallen, die von ihr den Haufen zerschlagenes Geschirr bekommen haben.
    Du lieber Gott, was für ein neues Leben plötzlich vor ihr liegt, nur die Katze sitzt immer noch wie versteinert da, wie ein Mensch, der sehr viel durchgemacht hat, und starrt mit trübem Blick auf ein und denselben Punkt.
    Plötzlich spitzt die Katze die Ohren. Irgendwo knarren die Dielen.
    Die Frau muss lachen.
    Ist doch klar, das Haus verzieht sich, die Dielenbretter reißen, das erstens. Zweitens wohnen in den Wohnungen über ihr, unter ihr und neben ihr Menschen, irgendeiner läuft immer rum, irgendwas fällt immer runter, geht kaputt, wird repariert, bewegt sich, da ist immer was los, sagt die Frau laut zur Katze gewandt.
    Ljalja zuckt mit den Ohren, erhebt sich geschmeidig von den Hinterbeinen und geht in die Küche, sie schleicht mit den Vorderpfoten wie eine schwere Tigerin, was komisch aussieht in ihrem mageren Zustand. Dann setzt sie sich vornehm vor ihr Schälchen, mit dem Mäulchen zur Wand, beugt sich darüber, nimmt ein Stück Fisch und schüttelt den Kopf hin und her: Sie hat beschlossen weiterzuleben.

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    Der Vater
    Es lebte einmal ein Vater, der seine Kinder nicht finden konnte. Er ging überall hin und fragte, ob nicht seine Kinder hier vorbeigelaufen seien. Doch wenn man ihm die einfache Frage stellte: »Wie sehen sie denn aus, wie heißen Ihre Kinder, sind es Jungen oder Mädchen« und so weiter, dann konnte er nicht antworten. Er wusste, dass sie irgendwo sein mussten, und suchte einfach weiter. Eines Abends hatte er Mitleid mit einer alten Frau und trug ihr die schwere Tasche bis zur Wohnungstür. Die Alte lud ihn nicht ein hereinzukommen, sie sagte nicht einmal »danke«, riet ihm aber plötzlich, mit dem Vorortzug zur Station »Kilometerstein Vierzig« zu fahren.
    Â»Warum?«, fragte er.
    Â»Was heißt, warum?«, antwortete die Alte, schloss ihre Tür fest zu und legte die Kette vor.
    Am ersten freien Tag fuhr er trotz allem – und es war ein harter Winter – zum Kilometerstein Vierzig. Aus unerfindlichen Gründen fuhr der Zug

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