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Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte

Titel: Es war einmal eine Frau, die ihren Mann nicht sonderlich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Petruschewskaja
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dass der Setzling ja gegossen werden müsste! Und um ihn zu gießen, müsste sie den Kohlkopf sehen! So trug die Frau den Kohlkopf auf den Balkon, in die Natur sozusagen: Regen, wenn es regnete, Wind, wenn es wehte, Vögel … Wenn das Kindchen in ihrem Leib hätte leben und wachsen können, wie alle Kinder, wäre es vor Kälte und allem anderen geschützt gewesen – aber dem war nicht so, das kleine Tröpfchen konnte sich nicht in ihrem Körper verstecken, sein einziger Schutz war das Kohlblatt. Die Mutter schob die jungen festen Blätter der Kohlblume auseinander und legte ihr Mädchen hinein. Tröpfchen wachte nicht einmal auf, sie schlief überhaupt sehr gerne und war ein außergewöhnlich gehorsames, fröhliches, genügsames Kind. Die Kohlblätter waren hart, nackt und kalt, sie schlossen sich augenblicklich über Tröpfchen … Die Mutter zog sich leise vom Balkon zurück, schloss die Tür und lebte einsam wie eh und je: Sie ging zur Arbeit, kam von der Arbeit, kochte sich etwas zu essen – und schaute kein einziges Mal auf dem Balkon nach, was mit dem Kohlkopf geschah.
    Der Sommer ging vorüber, die Frau weinte und betete. Um wenigstens zu lauschen, was auf dem Balkon passierte, schlief sie direkt vor der Balkontür auf dem Fußboden. Wenn kein Regen kam, fürchtete sie, der Kohl würde verwelken, wenn es regnete, fürchtete sie, der Kohl würde faulen, doch sie erlegte sich das Verbot auf, auch nur daran zu denken, wie und was Tröpfchen dort aß und wie sie, in der grünen Falle sitzend, Tränen vergoss, ohne ein einziges tröstendes Wort ihrer Mutter, ohne Wärme … Manchmal, besonders nachts, wenn es draußen goss und Blitze einschlugen, musste sich die Frau geradezu zwingen, nicht auf den Balkon zu gehen und den Kohlkopf abzuschneiden, ihr Tröpfchen zu nehmen, ihm ein Tröpfchen heißer Milch einzuflößen und es ins warme Bett zu legen … Stattdessen lief sie auf die Straße in den Regen und blieb dort stehen, um Tröpfchen zu zeigen, dass Regen und Blitz nichts Schreckliches sind. Und sie dachte immer daran, dass ihr der Einsiedler nicht umsonst begegnet war und ihr nicht umsonst befohlen hatte, Tröpfchen dorthin zurückzubringen, wo sie hergekommen war.
    So begann der Herbst. In den Läden gab es schon den ersten guten, festen Kohl, doch die Frau hatte noch nicht das Herz, auf den Balkon zu gehen. Sie fürchtete, sie würde dort gar nichts finden. Oder eine verwelkte Kohlpflanze – und darin nur einen roten Seidenfetzen, das Kleid des unglücklichen Tröpfchens, das sie eigenhändig umgebracht hatte, wie einst ihr ungeborenes Kind …
    Eines Morgens fiel der erste Schnee. Er fiel für die Herbstzeit sehr früh. Die arme Frau sah aus dem Fenster, erschrak und wollte die Balkontür öffnen.
    Und wie die Tür knarrte, hörte die Frau vom Balkon her ein erschrockenes Miauen, quäkend und aufdringlich.
    Â»Eine Katze! Eine Katze auf dem Balkon!« Die arme Frau war ganz außer sich bei dem Gedanken, dass die Nachbarkatze auf dem Balkon saß. Denn die Leidenschaft der Katzen für alles, was klein ist und sich bewegt, ist allgemein bekannt.
    Schließlich gab die Balkontür nach, und die Frau hopste gleich in Hausschuhen in den Schnee.
    Im Kochtopf saß ein prächtiger, riesiger Kohlkopf, kraus wie eine Rose, und obenauf lag auf unzähligen Blättern ein hässlicher, magerer Säugling, rot, mit schuppiger dünner Haut. Der Säugling miaute mit zusammengekniffenen Augenlidern, verschluckte sich, seine zusammengepressten Fäustchen zitterten, die hellroten Fersen, die die Größe einer Johannisbeere hatten, zuckten … Das war noch nicht alles – auf dem kahlen Kopf des Kindes klebte ein roter Seidenfetzen.
    Â»Und wo ist Tröpfchen?«, überlegte die Frau und trug den Kohlkopf mit dem Kind ins Zimmer. »Wo ist mein Mädchen?«
    Sie legte das weinende Kind auf dem Fensterbrett ab und begann, den Kohlkopf Blatt für Blatt abzusuchen, doch Tröpfchen war nirgends.
    Â»Und wer hat mir diesen Säugling hineingelegt?«, dachte sie. »Da will sich einer über mich lustig machen … Wie kommt das Kind hierher? Wohin mit ihm? So ein riesiger Brocken … Will mir jemand unterschieben … Tröpfchen haben sie weggenommen, und die hier wollen sie mir unterschieben …«
    Dem Kind war

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