Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
an einer Straßenecke begegnet war?
Wie sehr Francesca sich doch wünschte, Randolph möge der Schlitzer sein!
Hart lächelte sie an. „Wie ich sehe, wurde der Fehdehandschuh geworfen. Dann sollte ich ihn dir besser vorstellen.“
„Warte. Du hattest etwas über seinen Ruf gesagt.“
„Ach ja. Ihm eilt der wenig beneidenswerte Ruf voraus, absolut mürrisch zu sein.“
„Mürrisch?“, wiederholte sie.
„Es heißt, er verlor bei einem Feuer Frau und Kinder“, erwiderte Hart ernst. „Das liegt zwar schon einige Jahre zurück, aber er lächelt nur selten, und jeder kennt ihn als eigenbrötlerisch und verschlossen. Er meidet gesellschaftliche Anlässe, geht weiblicher Begleitung jeglicher Art aus dem Weg und scheint nicht die Absicht zu haben, je wieder zu heiraten. Ich vermute, diese Tatsache war Auslöser für die Gerüchte über ihn. Er ist wohlhabend, und die Damen der Gesellschaft sind entsetzlich wütend auf ihn, weil keine von ihnen eine Tochter mit ihm verheiraten kann.“
„Vielleicht kann man ihm gar keine Schuld geben, wenn er eine solche Tragödie hinter sich hat“, sagte Francesca. Sie begann zu glauben, dass er nicht der Lebemann sein konnte, der Gwen verführt hatte. „Schnell, Hart, bevor er zum Essen geht.“
Hart eilte ihm entgegen, dicht gefolgt von Francesca. Es war eine angenehme Abwechslung, wieder ihrer Arbeit nachgehen zu können. „Randolph, guten Abend“, rief Hart freundlich, kurz bevor sie ihn erreicht hatten.
Randolph stutzte, dann erkannte er Hart wieder. „Hart, mein Gott, bist du das wirklich?“ Er lächelte, während er ihm die Hand gab. „Welch unglaublicher Zufall!“
„Darf ich dir meine Verlobte vorstellen, Miss Francesca Cahill?“
„Du bist verlobt?“ Die Tatsache schien Randolph sehrzu überraschen. „Miss Cahill? Harry de Warenne, zu Ihren Diensten. Und natürlich möchte ich auch noch meinen Glückwunsch aussprechen.“ Er machte vor ihr einen Diener.
„Danke sehr. Sagen Sie, kennen Sie meine Schwester oder meinen Schwager? Sie sind heute Abend die Gastgeber.“ Ihr fiel auf, dass er gleich mehrere Ringe trug, jedoch nur einen davon – einen goldenen – an der linken Hand. Der Stein war ein Onyx, der Gravuren erkennen ließ.
„Ja, ich kenne Montrose sogar recht gut. Er hat ein Haus in London, das von meinem nicht allzu weit entfernt liegt“, antwortete Randolph.
„Ach, dann kommen Sie aus England“, tat Francesca ein wenig überrascht. „Ich hätte nämlich gedacht, Sie haben einen irischen Akzent.“
Er sah zu Hart. „Deine Verlobte ist sehr aufmerksam. Ich stamme tatsächlich aus Irland, auch wenn der größte Teil meiner Familie englischer Herkunft ist. Wir irischen de Warennes sind sozusagen die schwarzen Schafe.“
„Ich bin mir sicher, Sie sind kein schwarzes Schaf“, meinte Francesca amüsiert. „Dann leben Sie also lieber in London? Ich selbst bevorzuge die grünen irischen Landschaften.“ In Wahrheit liebte sie London und war auch schon einige Male dort gewesen, während sie noch nie einen Fuß auf irischen Boden gesetzt hatte.
„Es erstaunt mich, dich hier zu sehen“, sagte Hart beiläufig. „Normalerweise hast du deine Leute, die deine Geschäfte für dich regeln.“
Randolph zuckte mit den Schultern. „Diesmal gab es Dinge zu tun, die ich persönlich in die Hand nehmen musste.“
Francesca setzte eine nachdenkliche Miene auf. „Wissen Sie, ich bin mit einer sehr hübschen Frau befreundet, die – wenn ich mich nicht irre – aus der Nähe von Limerick kommt. Ich sollte sie zu unserer Dinnerparty einladen, möglicherweisekennen Sie sie ja. Die Welt ist schließlich klein. Sie lebt jetzt hier in der Stadt.“
„Möglicherweise, auch wenn ich eher daran zweifle. Wie heißt sie denn?“, fragte Harry de Warenne.
„Mrs Hanrahan, Mrs David Hanrahan. Allerdings stehen wir uns so nahe, dass ich sie Gwen nennen darf“, erklärte Francesca, die unablässig weiterlächelte und ihren Blick nicht von seinem Gesicht abwandte.
Seine höfliche Miene ließ keine Regung erkennen, als er antwortete: „Tut mir leid, aber ich kenne keine Frau dieses Namens.“
18. KAPITEL
Samstag, 26. April 1902
10 Uhr
„Hallo!“ Francesca begrüßte ihre Schwester mit einem Lächeln, auch wenn ihr in Wahrheit nicht danach war.
Connie sah in reizenden rosé- und elfenbeinfarben gestreiften Kleid blendend aus, als sie einen Schritt nach vorn in den Salon machte. Nur ihre Augen verrieten, wie sehr der unerwartete Besuch sie überraschte.
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