Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
wir werden einen Schnellzug nehmen. Ich schätze, die Reise dauert zwischen vier und fünf Stunden. Natürlich musst du nicht mitfahren, wenn du nicht möchtest“, fügte sie neckend hinzu.
Seine Antwort fiel wie erwartet aus. „Ich war noch nie raus aus der Stadt“, erwiderte Joel, der allein bei der Aussicht ganz aufgeregt wurde. „Wie lange werden wir fort sein?“
„Hoffentlich nicht länger als einen Tag, doch das hängt vom Zugfahrplan und von Richter Gillespie ab.“ Zufrieden lehnte sie sich zurück in den gepolsterten Sitz und bebte geradezu vor Erwartung. Gillespie hatte für Daisy offensichtlich eine große Bedeutung gehabt. Vielleicht gab es eine Verbindung, vielleicht war er sogar ihr Vater oder ihr Onkel. Morgenwürde sie es erfahren.
Wenige Minuten später eilte sie ins Präsidium. Joel zog es vor, draußen zu warten. Bragg war in seinem Büro und telefonierte, als sie die Tür öffnete und hineinsah.
Er wirkte überrascht, sie zu sehen, winkte sie jedoch herein und bedeutete ihr, sich zu setzen. Obwohl Francesca tat, als würde sie nicht zuhören, begriff sie schnell, dass er mit Lows Personalchef über die jüngsten Schlagzeilen in den Zeitungen sprach. Zu ihrem Leidwesen hatte sie die verleumderische Presse und den Druck, unter dem er derzeit permanent stand, völlig vergessen. Eine Sekunde später legte er auf und sah sie nachdenklich an.
„Nun, das ist aber eine Überraschung“, sagte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, als hätte er ihren vorangegangenen Streit vergessen. „Du glühst ja geradezu – ich kenne diesen Ausdruck. Was hast du entdeckt?“
Sie sprang auf und reichte ihm die Schachtel.
„Was ist das?“, fragte er, während er sich erhob, um die Schachtel entgegenzunehmen. Während er den Inhalt betrachtete, klärte Francesca ihn auf.
„Sie war in Daisys Schlafzimmer versteckt. Jeder einzelne Zeitungsausschnitt enthält einen Artikel über Richter Richard Gillespie oder erwähnt ihn zumindest. Bragg! Das muss der gesuchte Schlüssel zu ihrer Vergangenheit sein. Ich fahre mit dem nächsten Schnellzug nach Albany.“
Ernst sah er sie an. „Offenbar haben meine Männer das übersehen.“
„Offenbar. Und bevor du mich bestrafst: Ich weiß, dass ich um Erlaubnis für die Durchsuchung des Hauses hätte bitten müssen, doch du warst so beschäftigt, als ich ging. Geht es Leigh Anne gut?“, fragte sie aus einem Impuls heraus.
Er zögerte. „Francesca, erinnerst du dich noch an Mike O’Donnell?“
„Natürlich. Er war Mary O’Shaunessys Bruder und Kate O’Donnells Ehemann – und ein Verdächtiger in den Mordfällen. Warum?“
„Er hat heute Morgen bei Leigh Anne und den Mädchen vorgesprochen.“
Das war beunruhigend, sogar sehr. „Was wollte er?“
„Laut Leigh Anne war er sehr bescheiden und höflich. Trotzdem gehe ich davon aus, dass er uns erpressen will.“
„Er ist ein ungehobelter Klotz!“, rief Francesca, die sich an nichts Bescheidenes oder Liebenswürdiges bei diesem Mann erinnern konnte.
„Er behauptet, der Tod seiner Frau und seiner Schwester hätte ihn verändert, angeblich hat er Gott gefunden.“
Das gefiel Francesca gar nicht. „Glaubst du ihm?“
„Nein. Aber ich werde mehr über seine Pläne wissen, nachdem ich mit ihm gesprochen habe.“
„Möchtest du, dass ich mitkomme?“
„Das ist sehr nett von dir, doch ich denke, du hast recht – du solltest nach Albany fahren und Gillespie überprüfen. Offensichtlich war er sehr wichtig für Daisy. Berücksichtige aber bitte trotzdem die Möglichkeit, dass die Verbindung nichts mit unserem Fall zu tun hat.“
Sie nickte und fragte sich noch immer, was O’Donnell von den Braggs wollte.
„Francesca, es tut mir leid, was heute zwischen uns passiert ist“, sagte er plötzlich. „Ich hatte kein Recht, das zu sagen, was ich gesagt habe. Ich war außer mir und unbeherrscht.“
„Rick, ich kann nicht böse auf dich sein. Ich hasse es. Dafür mag ich dich noch zu sehr“, flüsterte sie aufrichtig. „Und es schmerzt zu sehr.“
Als ränge er mit sich selbst, verschloss sich seine Miene. „Ich bin an deiner Seite“, sagte er schließlich. „Und ich werde immer an deiner Seite sein.“
Ernst und dankbar zugleich nickte sie und stand auf. „Auch ich möchte dir helfen, wenn ich kann. Falls O’Donnell dich irgendwie erpressen will, musst du mich benachrichtigen. Bitte!“
Er ging um seinen Schreibtisch herum und reichte ihr seine Hand. „Hast du nicht genug zu tun?“,
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