Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
worüber Dot lachte. Aber offensichtlich erinnerte sich das kleine Mädchen nicht mehr an Maggie.
Wie tröstlich, dass Kinder mit einem kurzen Gedächtnis gesegnet waren, dachte Leigh Anne und empfand einen kleinenStich. Sie wünschte, sie könnte die Vergangenheit ebenfalls ausradieren. Allmählich erkannte sie, dass sie die Frau, die sie einst gewesen war, vergessen musste, wenn sie den Mädchen eine gute Mutter sein wollte. Sich an die märchenhaften Bälle zu erinnern, wo sie in atemberaubenden Abendkleidern die ganze Nacht durchtanzt hatte, machte sie traurig. Sie sollte stattdessen an die Zukunft denken. Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel, als sie sich selbst als behäbige Frau mit ersten grauen Haaren und die Kinder einige Jahre älter vorstellte. In dem Bild saß sie immer noch im Rollstuhl, doch sie wirkte zufrieden, und die Mädchen waren schön und glücklich.
Auch Rick tauchte in dem schillernden Tagtraum auf, stark und sehr gut aussehend, ein nicht wegzudenkender Teil ihres Lebens.
„Lies! Lies!“, rief Dot.
Leigh Anne riss sich von ihrem Tagtraum los und sah, wie Katie – ernsthaft wie immer – ihre kleine Schwester bei der Hand nahm. „Mrs Kennedy ist hier, um uns Kleider zu nähen, richtig modische Kleider, so wie Mama sie trägt“, erklärte sie ihrer kleinen Schwester. Mit einem flüchtigen Lächeln blickte sie zu Leigh Anne.
Bei diesem Blick ging Leigh Anne das Herz auf. Von Rick wusste sie, dass die Mädchen in einem vaterlosen Arbeiterhaushalt mit wenigen Annehmlichkeiten groß geworden waren. Wie ernsthaft Katie auch zu sein versuchte, ihre Augen glitzerten vor Aufregung. Schon vor einer Weile hatte Leigh Anne den Pfleger weggeschickt. Deshalb griff sie nun selbst nach den Rädern ihres Rollstuhls und rollte ihn näher zum Sofa, wo Maggie mit den Kindern saß. Ein Gefühl des Triumphs stieg in ihr auf, als sie sich ihnen näherte. So stark, dass sie die Blasen an ihren Händen, die vom Drehen der Räder herrührten, ignorierte.
Sie konnte sich tatsächlich bewegen. Es schien wie ein Wun der. Vielleicht konnte sie wirklich diese behäbige, glückliche Frau werden …
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Maggie, die aufsprang und sich hilfsbereit neben Leigh Anne stellte.
Auch wenn die Anstrengung sie atemlos gemacht hatte, spürte Leigh Anne, dass ihr Lächeln, das sie Maggie schenkte, echt war – es spiegelte ihre aufrichtige Freude. „Es geht mir gut, Mrs Kennedy, aber danke.“
„Soll ich meine Muster hereinbringen? Manche Kunden möchten erst die Einzelheiten festlegen, während andere gern die Stoffe sichten. Sie ändern dann oft ihre Meinung, wenn sie eine Farbe oder ein Material sehen, das ihnen gefällt.“ Obwohl Maggie lächelte, blieben ihre blauen Augen glanzlos.
Leigh Anne spürte die Traurigkeit der anderen Frau, als ob sie Seelenverwandte wären. Unverkennbar hatte Maggie Kennedy irgendeinen Kummer. „Ich würde tatsächlich gern einige Stoffproben anschauen“, sagte sie. „Doch Katie möchte ich in einem hellen Narzissengelb sehen, das weiß ich jetzt schon. Katie? Würde dir ein gelbes Kleid gefallen? Ich denke, die Farbe passt zu deinem Teint und deinem Haar.“
Katie nickte mit großen Augen und war offensichtlich zu aufgeregt, um zu antworten.
„Narzisse! Narzisse! Dot will Narzisse!“, kreischte Dot.
Lachend griff Leigh Anne nach ihrer pummeligen kleinen Hand. „Dich, mein Liebes, möchte ich gern in Pastellfarben sehen – ein Pastellgrün, ein hübsches Babyblau. Wäre das nicht hübsch?“
Ebenfalls lachend breitete Dot ihre Arme aus. „Mama! Mama, Mama!“
Leigh Annes Freude verflog sofort. Dot wollte hochgehoben und in den Arm genommen werden. Doch das schaffte sie nicht und würde es nie wieder schaffen. Wieder überkam sie die Traurigkeit, zehnmal so stark wie vorher.
„Hier“, sagte Maggie, bevor Leigh Anne weiter in ihrem Kummer versinken konnte. Sie hob Dot hoch und übergab sie Leigh Anne.
Einen Moment drückte Leigh Anne Dot fest an sich. Dann lächelte sie der anderen Frau zu, die sie freundlich, doch ohne Mitleid betrachtete. „Danke sehr. Stimmen Sie meiner Farbwahl zu?“
„Es steht mir nicht zu, dem zuzustimmen“, sagte Maggie ruhig.
„Aber ich hätte gern Ihre aufrichtige Meinung.“
Maggie lächelte. „Ich denke, Katie werden leuchtende Farben stehen. Und Pastelltöne für die Kleine, Sie haben recht.“
Etwas regte sich in Leigh Annes Kopf, etwas, das sie über Maggie Kennedy wusste. Ein Bild der Countess
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